Zum Frühstück gibt es eine der Spezialitäten Tibets, die so genannten »Momos«, mit kleinen Apfelstückchen gefüllte Teigtaschen. Heute steht der Besuch eines der wichtigsten Klöster Tibets, Sera, an. Dieses ist ein paar km außerhalb gelegen, so dass ich mit Ram aus Kathmandu und dem Holländer Wout hinradle. Wout fällt mit seinem Liegerad gerade in Asien stark auf, was für mich ein Vorteil ist, denn so habe ich ein bisschen mehr Ruhe. Die Idee ist aber schon genial, er treibt sein Rad mit Beinen UND Armen an. Beim Mittagessen lese ich von dem nur knapp 50 km von Lhasa entfernten Kloster Ganden, das vor allem zu Tagesbeginn und -ende eine interessante Atmosphäre bieten soll. Da »muss« ich heute noch hin. Wout begleitet mich. Wir fahren durch ein (immer breiter werdendes) Flusstal, das von hohen, kahlen Bergen begrenzt wird. Ab und zu ein kleines Dorf am Straßenrand. In einem stoppt Wout plötzlich, packt seine Kamera aus, postiert sich vor ein paar älteren Dorfbewohnern auf und macht von diesen nun vergnügt kichernden und charismatisch wirkenden Menschensicher interessante Fotos. Er reist durch Tibet auch im Auftrag des Europäischen Parlaments und »braucht« so auch gute Fotos. Ich hätte mich nie gewagt, hier von diesen Menschen Fotos zu machen. Ab wann verletzt man die Würde eines Menschen? Aber diese Menschen scheinen sich nicht gestört, eher geehrt zu fühlen. Vielleicht werde ich nun meine Fotopraxis auch etwas ändern. Die Straße war auf den ersten 20 km größtenteils o.k. , nun geht wieder der durch Nepals Straßen bereits gewohnte Schotterbelag los. Auf den letzten 10 km wird es ganz heftig, zudem steigt die Straße noch von ca. 3700 auf ca. 4500 m an. Wir spüren auch die Höhe, ich bekomme leichtes Kopfweh. Es wird dunkel. Ab einer Höhe von ca. 4000 m können wir nichts mehr sehen, außer wenn gerade mal wieder ein Blitz »runtergeht«. Wir schieben also. Das letzte Auto haben wir vor zwei Stunden gesehen. Wout bekommt riesigen Hunger, wird schwach und muss ständig Pausen einlegen. Aber gegen Mitternacht erreichen wir endlich das schon länger sichtbare, aber nur langsam näher kommende Kloster Ganden. Es beginnt zu regnen. WO sollen wir schlafen? Denn es gibt hier nur den Berg und die Straße, aber keinen geeigneten Platz, um das Zelt aufzubauen. So werfen wir (nach Mitternacht!) gegen das Fenster eines Hauses, aus dem noch Licht auf die Straße fällt, kleine Steinchen. Und tatsächlich: Wir bekommen geöffnet! Und damit nicht genug: Von den hier schlafenden Restaurateuren, die das während der »Kulturrevolution« (1966-1976) von den Chinesen mit brachialer Gewalt völlig zerstörte Kloster wieder soweit als möglich herrichten sollen, bekommen wir Buttertee (wird gekocht und dann in einem Fass mit Yakbutter und Salz gemischt; schmeckt wie eine »Mischung« aus Tee und Fleischbrühe) und wieder Momos gereicht. Dazu werden uns stolz viele Fotos von den von ihnen geschaffenen Kunstwerken gezeigt. Solche Gastfreundschaft erleben zu dürfen, lohnt schon allein die Mühen meiner Tour. Zufrieden schlafe ich auf einem für uns hergerichteten Matratzenlager ein.