Die Nacht auf der Autobahnraststätte verlief eher unruhig: Die Autos fahren nur ca. 15-20 m entfernt von meinem neben dem Kiosk aufgebauten Zelt vorbei. Alle Autos und Lkws, die hier tanken, erleuchten mein Zelt so stark, dass ich ein Buch lesen könnte. Immer wieder höre ich Stimmen von Kraftfahrern, die gerade Pause machen. Mit dem Sonnenaufgang ist die Nacht endgültig vorbei. So trinke ich noch einen letzten Tee mit Hamid, bevor ich aufbreche. Nach ein paar km rufen mich drei Männer, die eine kleine Einbuchtung ausnutzen, um hier zu frühstücken. Eine nette und kalorienreiche Stunde! 30 km später überholt mich ein Polizeiauto und winkt mich zur Seite. Ich soll runter von der Autobahn, es sei zu gefährlich. Soviel verstehe ich. Aber ich stelle mich dumm und »lawere« die Polizisten mit Englisch, das sie überhaupt nicht verstehen, so lange zu, bis sie mich verlegen lächelnd doch weiter fahren lassen. Ich fahre noch mal von der Autobahn runter, denn ich habe riesigen Hunger und habe die schon lange angekündigte Autobahnraststätte nicht gesehen. Es gibt viele Geschäfte, v. a. unzählige Auto- und Motorradwerkstätten, was bei dem häufig desolaten Zustand der hiesigen Autos kein Wunder ist. Restaurants finde ich lange keine, sie sind halt als »westliche Vergnügungen« verpönt. Wieder zurück auf der Autobahn halten mich drei Männer an, machen ein Interview von mir und schießen ein paar Fotos. Es handelt sich um Leute vom »Iran Nature Magazin«. Morgen soll ich noch mal vorbeikommen. Dann wollen sie alles noch ein bisschen vertiefen. TEHRAN: Gegen Mittag habe ich es erreicht. überall Plakate und Fotos von dem schon lange verstorbenen Iman Khomeini. An seiner Seite oft der jetzige »erste Mann« des Iran, Khamenei. Die Stadt ist wie Ankara noch sehr jung, wurde erst vor gut eineinhalb Jahrhunderten vom »Dorf« zur Hauptstadt erhoben, seiner günstigen strategischen Lage wegen. Auch Tehran ist sehr schnell gewachsen und hat inzwischen über neun Millionen Einwohner. Viele Hochhäuser, viele stark befahrene Straßen. Tehran liegt sehr interessant: Am Fuße des mächtigen Elbrus-Gebirges, gerade »oberhalb« der riesigen Salzwüste »Dasht-E-Kavir« und auch nur gut 100 km südlich des kaspischen Meeres. Die Stadt steigt von Süd nach Nord kontinuierlich an, womit auch die Luft im Norden deutlich besser ist. So befinden sich die »Armenviertel« im Süden, wohingegen die Reichen und Intellektuellen im Norden wohnen. Ich habe eine Adresse im Norden Tehrans, denn hier lebt die Mutter der nach Frankenthal verheirateten Frau Magin. überraschenderweise finde ich mit Hilfe einiger Passanten recht schnell das gesuchte Anwesen. Ich werde freundlich empfangen, bekomme Kuchen und Tee, wir unterhalten uns über den Iran und Deutschland. Dann bekomme ich ein Hotelzimmer vermittelt. Als ich es nicht gleich finde, frage ich wieder einen Fußgänger nach Auskunft. Es ist Ali. Er spricht mich gleich Deutsch an, erzählt mir, dass er 15 Jahre in Deutschland gearbeitet hat und nun mit seiner deutschen Frau hier wohne. Ob ich bei seiner Familie übernachten wolle? Logisch! Er nimmt mich mit nach Hause. Seine Frau ist erst sehr zurückhaltend, sie sieht auch gar nicht aus, als käme sie aus Bayern (Kopftuch, dunkler Teint). Mir ist das erst mal egal, ich will nur duschen. Es ist herrlich, den Bapp von vier Tagen und 660 Radkilometern bei 30° C und langen Radklamotten abwaschen zu können! Die Wohnung ist einfach. Für jeden ein kleines Zimmer, ein größerer Wohnraum mit der angrenzenden Küche. Bis auf Bad und Küche ist der ganze Boden mit den weltbekannten Perserteppichen ausgelegt. So laufen sie hier alle barfuß rum. Für Bad und Küche stehen spezielle Schlappen da, in die man reinschlüpft, bevor man diese Räume betritt. Später tauchen auch noch Tochter Leila sowie der noch in Deutschland geborene Sohn Bawak auf. Beide wollen möglicherweise noch dieses Jahr nach Deutschland, die Tochter zum Studieren und der Sohn zum Arbeiten. Aber das Geld in der Familienkasse ist knapp, zumal der Vater vor ein paar Tagen seine über 15 Jahre gut gehende Autowerkstatt schließen musste. Mit Ali gehe ich am Abend noch auf einen Bazar. Es ist interessant, sich dieses rege Treiben anzuschauen. Ein lautes Rufen und Handeln. Alles zum Leben gibt es hier, vornehmlich Klamotten und Fressalien. Als wir wieder zu Alis Haus zurückkommen, wird die traditionelle islamische Rollenverteilung deutlich: Die Frau hat sich um Haushalt und Familie zu kümmern. Wenn der Mann etwas zu essen oder trinken haben will, hat die Frau dies auch zu erledigen. So erreicht sie ihr größtmöglichstes Ansehen innerhalb und außerhalb der Familie. Die Nachbarn bringen was zu essen vorbei. Denn sie haben gehört, dass ein Gast da ist. Schöne Sitte. Abends sitze ich lange mit Ali zusammen. Er erzählt mir manches über die herrschenden Machtverhältnisse im »Nahen Osten«. Später diskutieren wir über den Sinn des Lebens und ob es dem Mensch möglich ist, aus den Fehlern der Vergangenheit, die aus Neid und Machtstreben resultierten, lernen kann. Ich kann kaum glauben, dass dieser belesene Mann ein (arbeitsloser) normaler Automechaniker sein soll!