01. Oktober

Gegen 3 Uhr wache ich auf und verspüre einen großen Hunger. Da dies wohl auch der Grund ist, dass ich nicht mehr einschlafen kann, stehe ich auf, um in den »24- Stunden-Supermarkt« zu gehen. Auf der Straße ist noch einiges los und in einer Kneipe geht es hoch her. »Bayern Munich« spielt gerade. Gegen Manchester. Von letzterer Mannschaft tragen einige Einheimische Trikots. Manchesters Führung wird laut bejubelt, beim Ausgleich der Bayern kurz vor Schluss herrscht traurige Stimmung. Ich esse in der Zwischenzeit drei Cheeseburger. Als um 4:37 Uhr Ortszeit der Abpfiff ertönt, erlebe ich, was ich nur von der Kirche her kenne: wie dort nach dem letzten »Amen«, so stehen sie auch hier alle DIREKT auf und verlassen stehenden Fußes die Kneipe. So gehe ich halt auch, aber müde bin ich immer noch nicht. »Gott sei Dank« kann auch Barry nicht gut schlafen, so dass wir kurz vor 6 Uhr entscheiden, zusammenzupacken und loszufahren. Auf dem Weg zurück zum Festland nehmen wir diesmal die Fähre, die »Brückenpolizisten« sollen nicht schon wieder an uns verzweifeln müssen. Wir fahren auf den Highway Richtung Kuala Lumpur. Das ist das Sicherste und zudem am Einfachsten. Alle 55 km hat es eine Autobahnraststätte. Diese sind aber alles andere als »typisch asiatisch«: Sie werden rund um die Uhr pikobello sauber gehalten und dies auch – typisch für Malaysia- durch die Androhung von Restriktionen in Form von hohen Geldstrafen. Die so genannten »Tigerstaaten« (Südkorea, Taiwan, Hongkong, Singapore; Thailand und Malaysia wollen den Anschluss daran schaffen) haben ihren erreichten Wohlstand z. T. eben nur um den Preis eines autoritären Systems, das in alle Lebensbereiche lenkend eingreift, erreicht. So müssen wir unser Rad auch an manchen Raststätten an einem bestimmten Platz abstellen. Es ist sehr angenehm, mit Barry zu fahren. Wir radeln nur selten direkt nebeneinander oder gar hintereinander. Meist fährt jeder sein Tempo, aber so, dass wir immer in Sichtweite bleiben. So gibt es keinen zusätzlichen Stress, aber das angenehme Gefühl, dass da noch jemand ist, der einem im Notfall helfen kann. Und in den Pausen unterhalten wir uns nett. Barry ist ein interessanter Typ. Ausgeglichen, an allem interessiert, über vieles informiert, aber dennoch ein »normaler«, umgänglicher Mensch geblieben, der zudem noch viel Ruhe ausstrahlt. Während wir so recht gleichförmig dahinrollen, gehen mir die neuesten Nachrichten von zu Hause durch den Kopf. Es scheint sehr unsicher, dass ich nächstes Jahr in meiner Diözese in den letzten (praktischen) Ausbildungsabschnitt gehen kann. Ein größerer Schatten legt sich damit über meine zur Zeit so gute Stimmung. Zudem wird mir immer bewusster, dass mir die Zeit »wegläuft«. V. a. der durch meine Krankheit bedingten Auszeit renne ich nun hinterher. Ich will aber nicht hetzen, sondern was erleben, die Welt quasi inhalieren. Beides widerspricht sich gegenseitig und das Balancieren zwischen beiden Extremen entspricht einem Drahtseilakt. Mir wird klar, dass es immer wahrscheinlicher wird, dass ich im März kurz vor dem Ende meiner Tour, z. B. von Mexiko oder von Cuba aus nach Hause fliegen muss. Und das Blödeste daran ist eben, dass es immer wahrscheinlicher zu werden scheint, dass ich dann gleich noch eine Absage von meinem Wunscharbeitgeber erhalte. Am Nachmittag wird es zunehmend hügeliger. Auch zwei einige km lange Steigungen, die den Schweiß in Strömen fließen lassen. So läuft dann auch die Sonnencreme in die Augen. Das brennt. Wir verlassen die Autobahn, wollen nach Ipoh fahren. Ein toller Internetshop. So freundliche Ladenbesitzer. Für alles geben sie uns Auskunft. Sie sind wirklich, nicht nur oberflächlich (wie manche andere, die nur Geld an uns verdienen wollen), an unserer Reise interessiert. Der PC funktioniert reibungslos und super preiswert ist es noch dazu (1 Stunde Internet ca. 2 DM!!!). Wenn jeder Internetshop auf der Welt so wäre, wäre mir mancher ärger erspart geblieben. Noch in den »Pizza-Hut«, bevor es weitergeht. Es läuft wunderbar. Aber dann weicht wieder Luft aus meinem Hinterrad. Schon wieder ein Plattfuß. Wir flicken, doch dann hält das Ventil die Luft nicht. Barry gibt mir seinen Ersatzschlauch. Inzwischen ist es schon fast dunkel geworden. Aber noch 30 km. Helles Mondlicht und Bergketten im Hintergrund lassen uns in eine traumhafte Stimmung eintauchen. Auf und Ab. 5 km vor Tapah, unserem heutigen Etappenziel, der nächste Plattfuß. Wie immer in den letzten Tagen, entweicht die Luft recht langsam, aber stetig. Da muss der Teufel im Detail stecken. Aber wir haben Schlauch und Decke genauestens überprüft. Alles schien absolut »clean«. Ich schiebe, die letzten 2 km nimmt mich noch jemand in seinem Auto mit. Barry ist mit 210 km die längste Etappe seines Lebens gefahren. Hotelsuche schnell erfolgreich, Nachtmahl im »Kentucky Fried Chicken« (KFC), Karte der »Cameron Highlands« genau überprüfen und beschließen, dass wir daraus einen Zweitagestrip machen und dann direkt ab in die Falle.