Da es gestern an der Universität mal wieder große Probleme mit dem PC (das scheint mir langsam die größte Schwierigkeit meiner Weltreise) gab, will ich es heute erneut dort versuchen. Aber aufgrund des gestrigen Bombenattentats, sind die Sicherheitsvorkehrungen heute extrem verschärft. Nur nach etlichen Behördengängen und dank des Einsatzes einiger netter Menschen ergattere ich schließlich die Erlaubnis, wieder an einen PC zu dürfen. Als ich meinen Reisebericht versenden will, geht dies (mal wieder) nicht. Einige Stunden Arbeit umsonst. Ich bin frustriert, schlendere durch die Gassen und vergesse die Rückbestätigung meines für morgen angesetzten Fluges nach Dehli. Das ärgert mich am meisten! Und morgen ist hier der große Gedenktag wegen des zehnjährigen Todestages des Imam Khomeini. Das bedeutet, dass da alle Geschäfte geschlossen sind. Freitags ebenso. Ich werde frühestens am Wochenende fliegen können. Schnell begreife ich aber, dass es gilt, das Beste daraus zu machen. Voller Elan suche ich irgendeinen PC mit Internetanschluss. Ich kann es nicht glauben, dass dies im Jahre 1998 in einer 9-Millionenstadt nicht möglich sein soll. Ich frage und frage und treffe letztlich in einem PC-Geschäft Reza, der mir – obwohl er eigentlich was Anderes vorhatte – einen Computer verschafft. Er telefoniert allen Freunden ab und versucht, mir zu helfen, wo auch immer er das kann. Warum tut er so was? Würde ich an seiner Stelle genauso großherzig handeln? Er bringt mich noch zu Ali nach Hause. Dabei besteht er drauf, dass er alle Taxikosten komplett übernimmt. Ich sei sein Gast und da wäre das völlig normal. Diese teilweise schon fast unglaubliche Gastfreundschaft. Da muss man aufpassen, dass man das nicht bald für selbstverständlich hält! Obwohl ich todmüde bin, ergibt sich am Abend noch ein hochinteressantes Gespräch mit Alis Familie: über Glaube und Gott sowie über Tod und Leben. Für Ali ist der Tod das Normalste des Lebens (wer geboren wird, muss auch sterben) und auch nur ein übergang in eine andere Wirklichkeit. Kurz vor Sonnenaufgang gehen wir schlafen.
03. Juni
