Wieder nur eine kleine Mütze Schlaf. Denn an meinem letzten (halben) Tag in Nepal habe ich heute noch einiges vor. Zuerst will ich den »Pashupatinath« besichtigen. Dies ist ein ausgedehnter Tempelbereich, der als heiligster Ort für die Hindus in ganz Nepal gilt. Ich fahre mit einem Bus dorthin. Dabei bin ich der einzige Tourist. Andere Touristen bevorzugen den bequemeren (und auch schnelleren) Taxi. Aber wie kann man solche Länder kennen lernen, wenn man nicht wenigstens so weit als möglich versucht(!), so einfach wie die Einheimischen zu leben? Der Bus braucht für die 10 km eine knappe Stunde. Aber das, was mich hier unter all den Tempeln, Heiligtümern, Gedenkstätten und Pilgerherbergen am meisten interessiert, sind die Verbrennungsanlagen, also jene Orte, an denen die gläubigen Hindus nach ihrem Tod verbrannt werden. Denn das habe ich noch nie gesehen. Leider finde ich diese Plätze aber nicht direkt. Und da ich schon bald mit Sonam, dem Radladenbesitzer, und Fernando zum letzten gemeinsamen Frühstück verabredet bin, habe ich nicht genug Zeit zum Suchen und kann dementsprechend nur noch den in der Nähe liegenden »Bodnath« besichtigen. Diese 40 m hohe »Stupa« (halbkugelförmige Urform des buddhistischen Heiligtums) ist die größte des Landes und v. a. für die Tibeter auch das heiligste Bauwerk ihrer Religion auf dem Boden Nepals. Die »tibetische Atmosphäre« ist auch unübersehbar. Dann geht es schnell zum vereinbarten Frühstück. Sonam, der ein überzeugter Buddhist ist und sich auch schon einmal eine dreiviertel Stunde mit dem Dalai Lama unterhalten konnte, kam gerade gestern von einer Radtour durch das stark vom Buddhismus geprägte Ladakh (Nordindien; »Manali-Leh«) zurück und ist – wie viele andere Touristen auch – noch ganz begeistert von dort. Da sei noch etwas vom »echten Geheimnis Tibets« zu spüren. Schnell zusammenpacken, denn mein Flieger geht bereits in zwei Stunden. Alles, was ich nicht mehr brauche (v. a. »Winterkleidung«), darf ich Vroni und Barbara mitgeben. Mich soll das im tropischen Südostasien nicht unnötig auf dem Rad belasten. Christophe und Fernando sind auch da, zum Verabschieden. Nette Geste. Ja, seit gestern habe ich mich wieder von einigen lieben Menschen verabschiedet. Aber bei Fernando geht mir das richtig unter die Haut. Wir waren nicht immer einer Meinung, sind nun aber für über zwei Monate zusammen gereist und das hat uns zusammengeschweißt. Wir haben uns gegenseitig geholfen, v. a. Fernando mir. Was hätte ich ohne ihn Anfang Juli gemacht, als »Giardia« ausgebrochen war oder auch zuletzt im Krankenhaus? Irgendwie wäre es sicher auch gegangen, aber garantiert nicht so angenehm. Uns beiden stehen nun beim Abschied die Tränen in den Augen. Wer weiß, vielleicht sehen wir uns im März auf einer südeuropäischen Straße wieder, wenn wir beide kurz vor der Heimkehr stehen. GRATIAS FERNANDO, have a good trip! Schnell mit dem Rad zum Flughafen. Ein tolles Gefühl Rad zu fahren. Da stört mich auch der Straßenverkehr kaum. Ich komme spät zum Flughafen, nur eine Stunde vor dem Abflug, obwohl »Thai- Airlines« auch noch nichts von meinem Rad weiß. Alles geht aber ohne große Probleme. Dann noch den nepalesischen Grenzposten überschreiten. Wie vor zwei Monaten schauen sich die Grenzbeamten meinen damals für mein erstes nepalesisches Visum erst nachträglich eingetragenen Einreisestempel an. Wieder diskutieren sie. Ich habe aber dazugelernt, bleibe ruhig und lächle nur. Ein paar Minuten später komme ich dann auch noch rechtzeitig zum Flieger. Das Fliegen gehört für mich ja inzwischen auch schon fast zum Alltag. Früher hatte ich Angst davor, heute lässt es mich kalt, ja irgendwie freue ich mich sogar nun schon jeweils darauf. Leider ist die Sicht heute nicht immer die Beste. Wir überfliegen den Golf von Bengalen und den Süden Myanmars (ehemaliges »Burma«). Umso mehr wir uns Bangkok nähern, umso ebener wird die Landschaft. überall Flüsse (»Klongs«) und grüne Reisfelder. Dann gerät die maßlose Metropole Bangkok in das Blickfeld. Palast- und Tempeldächer zeichnen sich ab, vereinzelte Grünflächen, v. a. aber Wolkenkratzer, die andeuten, dass es mit der gepflegten Geruhsamkeit meiner letzten zweieinhalb Monate vorbei ist. Die Landung. Beim Aussteigen fast ein Klimaschock: Tropisch warme Luft wirft uns beinahe um und treibt uns den Schweiß aus den Poren. Kein Wunder, wir befinden uns südlich des 14. Breitengrades, also Luftlinie gerade mal noch ca. 1500 km vom äquator entfernt. Die große Flughafenhalle ist voll klimatisiert. Angenehm. Ich versuche, mein restliches nepalesisches Geld in thailändische »Bhat« zu wechseln. Geht nicht?! Verdammt, hätte ich das nur noch in Kathmandu gemacht. Aber – wie immer?! – habe ich Glück im Unglück. Mein nepalesischer Sitznachbar im Flugzeug hat ein bisschen thailändisches Geld und wir fahren zusammen in einem Taxi die 30 km vom Flughafen in die Innenstadt. Dabei können wir staunend beobachten, dass in 200 Jahren aus einem Dorf ein gewaltiger Moloch mit 8-12 Millionen Einwohnern (je nach Schätzung) entstanden ist. Heute zählt Bangkok zu einer der engsten Städte des »fernen Ostens« und ist für seine ungeheure Smogbelastung bekannt. Kathmandu und Bangkok – zwei total verschiedene Welten! Ich bekomme fast einen kleinen Kulturschock. Alles wirkt so »westlich«. Von den (viel größeren und moderneren) Autos über die riesig ausgebauten Umgehungsstraßen und die vielen modernen Häuser bis zu den unzähligen Leuchtreklamen. Dem »Durchschnitt« der Leute müsste es hier besser gehen als in all den Ländern, die ich nach dem Verlassen der EU gesehen habe. Bangkok präsentiert sich als eine einzige gigantische Boomtown, als ein »New York des Ostens«. Riesige Shoppingcenter, anscheinend mehr Nightlife als in irgendeiner anderen Stadt Asiens. Trotzdem scheint Bangkok seine alten Kunst- und Kulturschätze bewahrt haben zu können: Mehr als 400 golden blinkende Klöster, Tempel und Paläste erheben sich noch als Refugien der Ruhe inmitten des hektischen Treibens. Hier kann man noch einen farbenprächtigen Markt, da noch eine autofreie Bilderbuchgasse oder eine von Palmen und hölzernen Pfahlbauten gesäumte Wasserstraße bewundern. Wir sind im Touristenviertel, in der berühmt- berüchtigten »Khao San Road« angelangt. Mein nepalesischer Bekannter weiß hier ein preiswertes Hotel. So geht das alles schnell über die Bühne und es bleibt mehr Zeit zum Abendessen. Die Preise sind hier fast wie in Europa, v. a. das Bier (u. a. »Becks« und »Heineken«) ist teuer. Zudem muss ich mich nun erst mal wieder an die neue Landeswährung gewöhnen. Noch eine Email in die Heimat, erste Lektüre über das »Land des Lächelns« und dann versuchen, in dieser Hitze unter dem Hoteldach Ruhe zu finden.