06. Oktober

Die weitere Erkundung Kuala Lumpurs steht heute auf dem Programm. Zunächst zwei von den Kolonialherren errichtete Kirchen und ein paar »grüne Lungen« der Stadt (sogar Reste des Dschungels, ansonsten Park- und Waldlandschaft). Dann den erst vor kurzem fertig gestellten Petronas-Tower, dessen zwei riesige und futuristisch anmutende Türme weithin sichtbar sind. Weiter geht es in die Einkaufsmeilen der Stadt. Ich besorge mir einen Java-Reiseführer. In Deutsch war natürlich keiner aufzutreiben, so werde ich wohl zum ersten Mal seit der Schule ein englischsprachiges Buch lesen müssen. Wenigstens wohl gut für mein Englisch. Anschließend schaue ich mich noch nach malaysischer Musik um. Da gibt es wahrlich Interessantes! Von traditioneller Musik bis hin zum Hardrock. In ein Dutzend CDs höre ich rein, es fällt mir schwer auszusortieren. Letztlich kaufe ich zwei, eine klassische und eine »moderne«. Bald darauf begegnet mir Peter in einem Tempel. Er kommt aus Zürich, ist seit Jahresbeginn unterwegs (kam den ganzen Weg bis Malaysia mit Bussen und Zügen) und will bis zum Jahresende noch bis in den Süden Australiens reisen. Zuletzt war er auch für ein paar Tage im Krankenhaus, der Staat Malaysia hat sogar seine Rechnung bezahlt. Das Sozialsystem scheint hier schon gut ausgebaut zu sein. Aber seinen Schilderungen folgend war das Krankenhaus auch nicht gerade luxuriös. Wir schauen uns noch gemeinsam den mit maurischen Kuppeltürmen bestückten Hauptbahnhof an. Dann trennen sich unsere Wege, denn ich will zur »National Art Gallery«. Museen interessieren Peter aber nicht. So viel hat er dort auch nicht verpasst. Es gibt einige interessante, auch zum Nachdenken anregende Ausstellungsgegenstände, aber nichts überwältigendes. Hauptsächlich moderne Malerei, durch Künstler vieler Länder vertreten. Aber auch ein paar Plastiken, Fotografien etc. Meine über zwei Tage und zusammen wohl bestimmt 50 km lange (allein zu Fuß) Stadtbesichtigung schließe ich mit dem Besuch der Masjid Negaraab. Dies ist die »National Mosque« Malaysias. Zuletzt fanden hier die Demonstrationen gegen den Präsidenten und für seinen »Herausforderer«, der vom Präsidenten durch einen schnell angesetzten Prozess ins Gefängnis »verpflanzt« wurde, statt. Nun herrscht hier aber idyllische Ruhe. In die Moschee passen 20 000 Leute. Das 75 m hohe Minarett ist schon von weitem zu erblicken. Das imposante Dach mit 18 Falten symbolisiert die 13 Staaten Malaysias und die fünf Säulen des Islam. Am Abend treffe ich Barry. Beide wollen wir gerne noch gemeinsam weiterradeln. Er würde gerne aber noch länger hier bleiben, ich aber bald weiter. Wir einigen uns auf einen Kompromiss: Morgen bleiben wir noch hier, übermorgen fahren wir dann gemeinsam weiter. Damit kann ich leben, da ich sowieso noch den nächsten Reisebericht zu schreiben habe. Am Abend gehen wir dann aus. Ich brauche das mal wieder so richtig. Seit Wochen habe ich nur noch besichtigt und bin Rad gefahren. Das hat mir riesig Spaß gemacht, aber ich brauche nun mal wieder eine Abwechslung. Relaxen und einfach mal genießen und dabei den Reisealltag vergessen, das muss auch mal sein. Ich bin ja keine Maschine, die eine Sehenswürdigkeit nach der anderen abgrast und sonst nichts im Kopf hat. Barry hat mir so von einem deutschen Restaurant in Schanghai (wo er zuletzt studierte) vorgeschwärmt, dass wir in den »Bierkeller« gehen. Gulaschsuppe, Frikadelle mit Gemüse und Kartoffelsalat sowie Zwiebelrostbraten mit Spätzle. Schmeckt wirklich wie in der Heimat. Aber die Krönung ist auf alle Fälle »mein« Bier: Bitburger! Der erste Schluck seit über einem halben Jahr. Herrlich! Deutsche Zeitschriften (v. a. viele »Spiegel«) liegen auch herum. Hier würde es mir sicher auch alleine nicht langweilig. Weiter ins »Hard-Rock-Café«. Ich war noch nie in einer Filiale dieser amerikanischen »Kette« (WO ist eigentlich das nächste von Frankenthal aus?). Erst spielt eine Band wirklichen Hardrock, dann ertönt Hip-Hop vom Band. Wir bleiben bis zum »Sendeschluss« (1:00), trinken Bier, rauchen Zigaretten und schalten mal total von unserer Reise und allen damit verbundenen Gedanken ab. Abstand gewinnen, heißt die Devise. Aber wir sind noch nicht müde. Wo hat noch was auf? Scheinbar in ganz Kuala Lumpur nur noch das »Carlos«. Also gehen wir dahin. Die Taxifahrer nutzen unsere Unwissenheit ziemlich schamlos aus und verlangen einiges. Die Musik im »Carlos« ist o.k. , bunt gemixt. Die Räume sind eingerichtet wie in einer vergleichbaren Disko zu Hause. Auch die Leute kleiden sich hier ungefähr wie daheim. Die Welt – ein kleines Dorf. Und überall scheint jeder seine Nische finden zu können. Eigentlich ja wirklich was Schönes! Das Bier fließt weiter, auch das Paffen nimmt kein Ende. Wirklich netter Abend, wenn auch der teuerste in meinem Leben (ein Bier kostet hier in der Kneipe zwischen 7-12 DM; wie viele ich getrunken habe, verrate ich hier aber nicht.). Dies stört mich aber heute – ausnahmsweise – auch nicht. Auch im »Carlos« bleiben wir, bis es schließt (5:00) und kommen dementsprechend spät in die Heia.