11. November

Ich möchte noch ein paar Fotos von der für mich schönsten Galerie Ubuds machen. Alle Leute, selbst die kleinen Kinder, sind festlich gekleidet. Der duft von Räucherstäbchen liegt überall in der Luft. Viele Frauen tragen allerlei Früchte in schönen Körben auf dem Kopf durch die Straßen. Die Tempel sind äußerst festlich geschmückt. Dort werden auch die Früchte, Blüten, gebratene Hühner oder Enten hingebracht. Im Tempel nehmen Priester die Gaben in Empfang. Ein hoher Tempelpriester segnet die Gemeinde mit heiligem Wasser. Nach der Zeremonie dürfen die Opfergaben wieder mit nach Hause genommen und im Kreis der Familie verzehrt werden – die Götter haben sich an der geistigen Essenz gelabt. Die Menschen, die in den Tempel gehen, sind fröhlich. Sie scheinen sich richtig auf die Zeremonie zu freuen. Tempelfeste sind auch fröhliche Feste. überall wird gescherzt und gelacht – und kräftig dem Palmwein zugesprochen. Und so kommt es, wie es kommen muss: »meine« Galerie ist geschlossen. Ebenso das Postamt, meine Postkarten können also noch nicht auf große Reise gehen. Sogar die Internetshops sind geschlossen. BALI SCHEINT WIRKLICH ANDERS! überall in Asien sind fast alle Geschäfte jeden Tag auf. Hier aber ist ein religiöses Fest und dann hat dem alles untergeordnet zu werden. Die Balinesen scheinen trotz aller westlichen, touristischen Einflüsse weiterhin ein Leben zu führen, das fest in einer alles durchdringenden Religiosität verankert ist. Die eine Million Touristen (bei 2,7 Millionen Einwohner; Bali ist übrigens nur doppelt so groß wie das Saarland) pro Jahr scheinen sie willkommen zu heißen (der Fremdenverkehr ist auch der bedeutendste Devisenbringer). Sie bieten sich und ihre Religion an, ohne sie preiszugeben. Ihre Religion ist ein komplexes Gebilde, in dem hinduistische Glaubensinhalte v. a. mit Elementen des Buddhismus und altmalaiischen Vorstellungen, wie dem Glauben an die Beseeltheit der Natur und der Vergöttlichung der Ahnen verschmolzen sind. Auf dieser Religion basiert die gesamte Kultur und das ganze gesellschaftliche Leben Balis. Die religiöse Vorstellungswelt der Balinesen ist wohlgeordnet in Gegensatzpaare. Himmel und Hölle, Rein und Unrein, Hell und dunkel, Gut und Böse – eins ist so wichtig wie das andere, um die Weltharmonie in Balance zu halten. Ins Spannungsfeld dieser Dualität gestellt, müssen die Balinesen den entgegen gesetzten Kräften gleichermaßen Beachtung schenken, müssen sie Göttern und Dämonen gleichermaßen huldigen. Kein »echter« Balinese beginnt den Tag ohne ein Opfer. Aus Palmblättern geflochtene Körbchen mit zu kleinen Pyramiden geschichteten Reiskörnern, Blättern und Früchten werden vor die Haustür, in den Familientempel oder an besonders gefährdete Stellen wie Straßenkreuzungen (in Indonesien wirklich sehr gefährliche Stelle!) und Brücken gestellt, um die Götter zu erfreuen und die Dämonen milde zu stimmen. So folgen die Menschen auf Bali weiter ihrer religiösen überlieferung. Sie scheinen mit dem Widerspruch zwischen Mythos und Moderne gut fertig zu werden. Schon in der Vergangenheit haben sie kultureller überfremdung widerstanden, indem sie sich fremden Einflüssen nicht verschlossen, sondern sie vielmehr in ihre eigenen lebendigen Traditionen einschmolzen. Ich verlasse das lieb gewonnene Ubud. Der Verkehr ist heute etwas angenehmer, viele Menschen sind eben in den unzähligen Tempeln. Ich fahre nach Kuta, dem »indonesischen Benidorm«. Die ehemaligen Fischerdörfer Kuta und Legian sollen zur größten »Ferienfabrik« Balis verschmolzen sein. Zunächst fällt mir das nicht auf, bis ich in die Hauptstraße einbiege. Plötzlich völlig veränderte Szenerie: 24-Stunden-Supermärkte, Bistros, Restaurants, Wechselstuben, Auto- und Motorradverleihe. Na ja, diesmal habe ich mich nicht nur darauf eingestellt, sondern ich bin ja sogar hergekommen, um heute Abend mal wieder »Party zu machen«. Sind hier die Gesetze Balis aufgehoben? Fast scheint es so, hier hat z. B. im Gegensatz zu dem ja auch touristischen Ubud fast jedes Geschäft offen. Westliche Geschäftigkeit, aber wenig asiatisches Flair. Ich habe das Gefühl bereits heute Asien verlassen zu haben, auch wenn mein Flieger nach Australien erst in gut einem Tag geht. übrigens sind hier hauptsächlich Australier. Für sie ist der Strand hier das, was Mallorcas Touristenmeile für die Deutschen ist. Die Touris sind hier auch ganz anders als in Ubud. Waren dort eher »tiefgehende«, ruhige, philosophische und oft auch schon ältere Touristen, sind es hier die jungen und körperkultigen Sonnenanbeter, die sich auch nicht besonders um die Moralvorstellungen der Einheimischen kümmern. So laufen die meisten Frauen bloß im Bikini rum, die Männer mit freiem Oberkörper, so als wären sie halt gerade zu Hause. Ich finde eine recht nette und preiswerte, wenn auch nicht 100prozentig saubere Bungalowanlage. Gleich danach ein gutes Restaurant. Die Bedienung ist sogar überraschend freundlich und die Preise moderat. Ist Bali selbst in den Touristenzentren anders? Gehe Emailen. Verbindung extrem langsam. Soll mit dem mit Hochspannung erwarteten Gipfel in Jakarta zusammenhängen, bei dem die Weichen für Wahlen im nächsten März gestellt werden sollen. Dieser Gipfel würde alles blockieren und so sei erst in drei Tagen mit Besserung zurechnen. Plötzlich werde ich angesprochen, ob ich Deutscher sei und beim Versenden eines Emails helfen könne. Es ist Judith, die »mitten aus dem Dreieck Köln-Düsseldorf- Mönchengladbach« herkommt. Ich helfe gerne. Sie ist ziemlich am Ende einer sechswöchigen Indonesienreise. Am Abend gehen wir gemeinsam weg. Erst in ein gemütliches Restaurant, dann mitten hinein ins »Nachtleben«. Das Publikum ist aber ziemlich »proletenhaft«. So kommt keine richtige Stimmung auf, der Bier- und Nikotinkonsum hält sich stark in Grenzen. Am Schluss kommt noch Musik, die mir gut gefällt (»Offspring«, »Nirvana«) und so kann ich noch mal richtig »abtanzen«. Dann ist es aber auch genug, schon kurz vor 3 Uhr geht es zurück zur Ferienanlage.