11. September

Lange geschlafen und ausgiebig gefrühstückt. Heute soll es endlich wieder auf dem Rad weitergehen. Dann entscheide ich mich, auch hier mal bei der Post zu fragen, was es denn kosten würde, Zelt und Schlafsack nach Australien (Darwin) vorzuschicken. Denn in der Hitze der Tropen werde ich das sicher nie brauchen und würde es nur für zwei Monate täglich umsonst mitschleifen und auch mein Rad unnötig belasten. Und siehe da, hier kostet das »nur« 170 DM, in Kathmandu wäre es über das Doppelte gewesen. So entscheide ich mich für die »Postvariante«, auch wenn ich mir dabei bewusst bin, dass ich auf einen Schlag ungefähr den Monatslohn eines durchschnittlichen Thais auf den Tisch blättere, und das nur, um leichter radeln zu können. Reifen an einer Tankstelle aufpumpen (herrlich einfach, in Tibet war es nicht möglich, da hatten sie andere Ventile), zusammenpacken, auschecken und LOS GEHT ES! NACH 36 TAGEN OHNE RICHTIGES RADELN und 34 TAGE NACH DEM BEGINN MEINER THROMBOSE sitze ich wieder auf meinem voll bepackten Drahtesel! Was für ein Gefühl! Schwere Zeiten und Krisen scheinen mir mal wieder einfach notwendig im Leben. Allein schon, da man ohne diese nichts mehr richtig schätzen und genießen könnte. Gleich mitten durch die Zehn- Millionen-Stadt Bangkok, wovon mir so mancher – »wegen chaotischer Verkehrsverhältnisse« – abgeraten hatte. Aber mir macht es SPAß. Und das, obwohl es – je weiter ich mich vom Zentrum entferne – immer schwieriger wird, mich zu orientieren (die Straßenschilder sind zunehmend nur noch in Thai-Schrift gehalten und mein – ohnehin in zu kleinem Maßstab gedruckter – Stadtplan in lateinischen Schriftzeichen). Aber mit Hilfe der Einheimischen und Taxler lässt es sich hier noch ganz gut weiterkommen. Im Südwesten Bangkoks an der Ausfahrtstraße zu dem einzigen Highway in den Süden Thailands gerate ich in einen riesigen Stau. Es ist früher Freitag Nachmittag. So umkurve ich Lkws, Busse und Pkws, was aber auch nicht so schwer ist, da der Verkehr hier doch weitaus gesitteter als auf dem indischen Subkontinent abläuft. Und die Truckfahrer sind freundlich hier! Sie grüßen und winken ständig, freuen sich ebenso, wenn ich ihre Gesten erwidere. Ich fühle mich gleich so heimisch wie zuletzt im »Nahen Osten«. Die Sonne brennt, der Wind kommt ständig von vorne. Also runterschalten. Denn ich will immer locker fahren, keinen starken Druck auf die Pedale ausüben. Mein Bein soll nämlich auf keinen Fall schmerzen. Tut es auch (Gott sei Dank) nicht. Ich habe mal wieder das starke Gefühl, dass für mich das Rad wirklich das richtige Reisemittel ist. Besichtigen, große Städte anschauen und auch erleben, ist eine Sache, sich langsam über Land fortzubewegen, eine andere. Aber eine hochinteressante! Man kann das Leben der Menschen so richtig beobachten, dass der Straßenhändler, der Bauern, Schulkinder etc. Die Szenerie ändert sich. Die Randbezirke Bangkoks zeugen nicht gerade von Reichtum. Viele Wellblechhäuser. Nach und nach aber immer mehr Grün, manchmal bereits richtig malerische Klongs mit einfachen, nur von Stroh bedeckten, Häusern im Hintergrund, die dann noch von Palmen eingerahmt werden. Es ist topfeben. Für mich optimal zum »Einrollen«, zumal am Abend auch noch der Wind nachlässt. Der Straßenbelag ist mit dem auf europäischen Landstraßen zu vergleichen. Ein wunderbares Gefühl nach den tibetischen »Rüttelstraßen«! Nach vier Stunden und immerhin 75 km erreiche ich kurz vor der Dunkelheit Samnut Sakhon. Mit Hilfe eines Straßenhändlers finde ich direkt ein preiswertes, sehr sauberes und sogar mit Air-Condition ausgestattetes Zimmer. Ich bin glücklich, das war ein Tag wie aus dem Bilderbuch. Am Abend gehe ich noch mal aus meinem Zimmer und falle fast um: HITZE, die ich aufgrund meiner Klimaanlage fast vergessen hatte. Auf der Straße herrscht bereits um 22:30 Uhr absolut »tote Hose«. Welch Kontrast zu Bangkok!