13. November

0:40 Uhr: Mein Flug startet, ich werde müder und müder. Aber schlafen kann ich nicht, ständig ist was Anderes los, und wenn es sich nur um das verspätete Mitternachtsmahl handelt. Und der Flug dauert auch nur gut zwei Stunden, dennoch landen wir um 4:30 – die eineinhalb Stunden Zeitverschiebung machen es möglich. An der Immigration Office muss alles Obst und Gemüse, das man mit sich führt, deklariert werden. Ich habe davon nichts dabei, so kann ich mir das sparen. Dafür wird für mein Rad tatsächlich extra eine Frau herbeigerufen, die mein Rad dann auch äußerst kritisch mustert. Aber Gott sei Dank ist mit meinem gestern das erste Mal richtig geputzten Rad zufrieden. Aber mein Plattfuß ist noch schlimmer geworden. – die 12 km in die 80 000-Einwohnerstadt Darwin, das unumstrittene Zentrum der Nordküste, sind zu weit. Genau die 6 A$, die ich vor ein paar Stunden noch am Flughafen in Bali für meine letzten Rupiah bekommen habe, kostet der Airport- Shuttle-Bus ins Zentrum der Stadt. Glück gehabt. In Darwin gibt es eine Backpacker- Straße. Das erste Hotel dieser Art ist voll, im zweiten komme ich unter. Vier Leute mit all ihrem Gepäck auf 12 qm. Einfach, aber sauber. Ich lese von einem 6-Tage- Trip von Darwin über Alice Springs im Zentrum Australiens zu all den bekannten Landschaftsschönheiten (u. a. Kings Canyon, Ayers Rock, Olgas etc. ). Ich bin begeistert, da auch der Preis o.k. ist. Ich lege direkt die Kreditkarte auf den Tisch und will buchen. Zur Sicherheit ruft die Frau an der Rezeption erst noch bei dem Busunternehmen an. Und dann die niederschmetternde Nachricht: Sowohl die Touren für übermorgen als auch nächste Woche seien ausgebucht. Was soll ich machen? Abwarten, ich habe noch die kleine Chance, dass jemand, der die Tour schon buchte, wieder absagt. Dann könnte ich doch mit. Ich hole mir meine nach Darwin geschickte Post ab. Mein von Bangkok vorausgeschicktes Paket mit Zelt, Schlafsack, Ritzelpaket und dickem Pullover ist ebenso da wie liebe Briefe aus der Heimat. Mein malaiischer Schlauch muss aus dem Hinterrad. In der Nähe gibt es ein Radgeschäft. Der Mechaniker ist wieder ein ruhiger und sympathischer Zeitgenosse. Viel Gefühl für alles am Rad hat er auch. Neuer Schlauch, Hinterrad neu zentrieren, neue Lenkergriffe, neuer Bremszug und neue Batterien für mein Rücklicht. Irgendwann kommt mir urplötzlich der Gedanke, es vielleicht doch mit dem Rad versuchen, von Darwin bis Adelaide, die Wüste zu durchqueren. Wenn das mit der organisierten Tour schon nicht klappt. Und seit meiner Ankunft bin ich irgendwie fasziniert von Australien. Im Shuttle-Bus lief anscheinend die hier typische Radiomusik, in den Straßen sehe ich die Leute, wie sie sich mit Hüten vor der Hitze zu schützen versuchen und dennoch öfters den Schweiß von der Stirn wischen müssen. Alles, wie ich es von meinen einzigen Australienimpressionen gewohnt bin: Von der TV-Serie »Flying Doctors«, die mitten im Outback spielt. Diese Serie habe ich mir fast ein Jahr lang im TV angeschaut, sie war immer eine Lernpause am Ende des Studiums für mich. Und der erste Reiz, eines Tages auch mal dorthin zu gehen. Und nun bin ich da! Und ich will ins Outback! Und nicht an die Ostküste. Küsten habe ich nun schon viele gesehen. Die meisten waren schön, aber eben doch immer wieder ähnlich. Und das Outback ist einzigartig und eigentlich auch das Typische Australiens. Immerhin bedeckt es 3/4 der Fläche dieses Kontinents. Plötzlich wird mir klar: ICH MUSS DA HIN! Und zwar mit dem Rad, um es tiefer zu erleben. Sollen die von dem Busunternehmen mich doch alle hinten rum heben, ich brauche sie nicht, ich komme auch alleine ins Outback! So wahr ich Christoph Fuhrbach heiße! Nachdem ich dies für mich entschieden habe, bekommt meine Tour wieder viel mehr Spannung, ich bin wieder elektrisiert. Essen einkaufen. Paradies! Alle Milchprodukte. Käse, Milch, Joghurt – und alles zu Preisen wie zu Hause. Ich esse gleich 2 kg Joghurt. Auf der Bank geht alles ruckzuck und ich habe Geld für meine Kreditkarte. Hier lebt es sich wie zu Hause. Na ja, kleine Unterschiede gibt es schon. Z. B. bin ich auch zum ersten Mal in meinem Leben in einem englischsprachigen Land. Plötzlich können alle Einheimischen DIE Travellersprache. Eigentlich ein Traum. Aber hier macht es mich eher erst mal scheu. Auf einen Schlag bin ich derjenige, dessen Englisch im Vergleich zum Gegenüber schlecht ist. Manchmal verstehe ich sie gar nicht. Sie sprechen zu schnell und dazu auch noch in ihrem Slang, der sich vom Britisch- oder Amerikanisch-Englisch doch unterscheidet. Für mich überraschenderweise sehe ich einige Aborigines. Ca. 180 000 sollen in Australien noch leben. Sie, die von jetzt auf nachher von einwandernden Europäern einfach ihre Jahrtausende alte Kultur genommen bekamen und sich zwangsmäßig nur noch europäischer Kultur gegenübersehen, sind verständlicherweise mit diesem Schlag noch nicht fertig geworden. Zum großen Teil identitätslos, sprechen viele dem Alkohol zu. Ich sehe sie meist in kleineren Gruppen über die Straße laufen. Aber schwarz und weiß scheinen weiterhin ziemlich getrennt voneinander zu leben. Schade! Ob ich mal etwas näheren Kontakt mit einem dieser Ureinwohner Australiens bekommen werde? Meine Zimmergenossen kommen aus Frankreich und England. Zur Zeit arbeiten sie mindestens zehn Stunden am Tag als Putzhilfe. So ist bald wieder genug Geld zusammen, um weiter reisen zu können.