Wieder ist es kühl beim Schlafen. So stelle ich die Klimaanlage ab. Dann wird es aber gleich zu warm. Nach all den Schwierigkeiten mit der Fährverbindung nach Jakarta habe ich mich entschieden zu fliegen und buche entsprechend den preiswertesten noch freien Flug für übermorgen. Wieder bei den Emails vorbeischauen. Endlich eine Nachricht zu meinen Plänen. Aber nicht vom möglichen Arbeitgeber, sondern von meinen Eltern. Sie sind erwartungsgemäß nicht begeistert. Ich bin innerlich hin- und hergerissen. Ich beschließe, den weiteren Verlauf meiner Tour einzig und allein von der Entscheidung der Verantwortlichen der Diözese Speyer abhängig zu machen. Geben sie mir eine Garantie, mich unter bestimmten Bedingungen ab März 99 zu übernehmen, werde ich natürlich wie vereinbart auch im März 99 nach Hause kommen, ansonsten am 29.05. Also aber erst mal weiter warten. Wie lange lassen sie mich noch zappeln? Bin ich ein Idiot, wenn ich geglaubt hatte, dass es in der Kirche – manchmal zumindest – doch noch ein bisschen mehr Menschlichkeit als sonst wo geben würde? Zumindest ist meine Leichtigkeit, Fröhlichkeit und Euphorie der letzten gut eineinhalb Monate vorerst von meiner Tour genommen. Ich schaue mir weitere interessante Viertel der Stadt an. Zunächst das so genannte »River Valley- District«, südlich der Orchard Road. Kirche, Tempel, Synagoge, Grünanlagen, moderne Hotels, Restaurants. Ein – wie viele Leute in Singapore – in feinem Anzug gekleideter Mann spricht mich mitten auf der Straße an. Ich käme aus Deutschland? Ah, er war schon öfters in »Munich«, einmal zum »Oktoberfest«. Da wäre es richtig kalt gewesen. Na ja, für jemanden, der immer am äquator lebt und wo Tage wie heute, an denen es bewölkt ist und »nur« 30° C wird, zu den »kühlen« Tagen gehören. Ich habe gehört, dass man von einigen Hotels aus eine tolle Aussicht über die Stadt habe. Also probieren. Mit meinem vergammelten T-Shirt und meinen Shorts falle ich hier natürlich schon auf. Normal ist hier dunkler Anzug mit weißem Hemd, Krawatte und – wie es sich für »wichtige« Leute des endenden 20. Jahrhunderts gehört, ein Handy. Wo ich denn hin wolle, fragt mich der Portier. »äm.» »In the restaurant?« »Oh, yes!« Er verrät mir noch, wo ich den Fahrstuhl finde und dass ich dann bis in den 39. Stock hochfahren solle. Wirklich tolle Aussicht. Fotos. Nach diesem »Erfolg« will ich zur Krönung noch in den 70. Stock des »Westin-Stamford-Hotels«. In ca. 20 Sekunden 70 Stockwerke. Welch ein Kontrast zu meinem Hotel! Dort braucht der Fahrstuhl länger, bis ich endlich im 9. Stock bin, auf dem meine »Abstellkammer« liegt. Hier aber geht es nicht nur ruckzuck, sondern auch vornehm zu. Alles aus Gold und Marmor. Abendkleidung erwünscht. Natürlich wird mir verweigert, Fotos zu machen. Ich müsse schon etwas von der Speisekarte genießen. Bei den Preisen muss ich aber ablehnen. Auch meine Story, dass ich Fotograf sei (Gereon, dreht sich schon Dein Magen rum?) und eine Reportage für europäische Magazine machen würde, zieht nicht. Immer wieder kommt die hier verantwortliche Dame mit dem so verlogenen Standardspruch »I’m so sorry, Sir«. Wenn sie »so sorry« wäre, würde sie mir helfen. Ein Ehepaar aus Herne, das es vor 35 Jahren nach San Diego verschlagen hat, ist auch noch gerade hier. Sie wohnen hier und so kann ihr kleiner Sohn ein paar Fotos für mich machen. Einem Bub wird das verziehen. Danke für ihre Großzügigkeit, Madame! Zum Tagesabschluss begebe ich mich noch zum weltberühmten Raffles-Hotel. Kolonialer Prunk. Raffles gilt als Begründer der Handelsmetropole Singapore. Er gründete 1819 eine Niederlassung der »East India Company« und in den folgenden Monaten stieg die Bevölkerungszahl so von 150 auf 5000 Menschen an. Bis heute erscheint Raffles in Singapore noch allgegenwärtig. Alles Mögliche wird nach ihm benannt, bis hin zu Einkaufscentern. Die Abende zur Zeit sind recht langweilig. Erstens bin ich nicht in der Stimmung, um wegzugehen, zweitens zu müde vom vielen Spazieren über den ganzen Tag und nicht zuletzt sind die Getränke hier enorm teuer. Ungefähr wie in Skandinavien. So schmökere ich abends – auf dem Bett liegend – in meinen Reiseführern.