14. Februar

Nach genauem Kartenstudium mit einem Einheimischen ist klar, dass ich den ganzen Weg zum Eingang des Reserve zurückfahren muss. Am Mittag bin ich endlich da, wo ich gestern Abend schon hätte spielend sein können. Die »Route 66« ist erreicht! Wieder herrliches Wetter, mein Stimmungsbarometer steigt weiter, wenn auch noch im Zick-Zack-Kurs, melancholische Momente eingeschlossen. Mittagspause in einem kleinen Café, mitten im Niemandsland. Wie gut gefällt es mir da, im Gegensatz zu der hoffnungslos überfüllten und dennoch so anonym anmutenden Megacity L.A. ! Jegliche Angst ist auch wieder verflogen. Ein Roadhouse im australischen Outback wäre auch nicht viel anders. Nur ist hier alles noch verschlafener, gemütlicher und kleiner. Der Besitzer ist ein Schwarzer. Sehr freundlich und engagiert. Ein offensichtlich guter (weißer) Kumpel von ihm ist auch da. Dieser entledigt sich gerade seiner leer gewordenen Bierdose und holt sich eine neue. Es ist gerade mal 13 Uhr. Aber was soll man hier auch schon groß tun? Auch er ist freundlich, setzt sich zu mir und erzählt mir, dass er vor Jahren durch fast ganz Europa reiste und dabei eine »funny time« hatte. Weiterhin beschissene Straßen. Wo habe ich sonst noch so schlechte Straßen erlebt – Tibet einmal außen vor gelassen? Höchstens noch in der Türkei. Ich wundere mich über mein Hinterrad. Welch teuflisch gutes Stück muss das sein! Inzwischen (seit Bangkok im Einsatz) auch schon wieder 10 000 km auf dem Buckel, meist mit viel Gepäck und die Straßen waren auch nicht immer toll. Aber es hat nicht einen Speichenbruch zugelassen und rollt sogar noch immer recht rund! Ob es aber auch noch die letzten gut 3000 km auf diesen Straßen meistern kann? Hoch und runter geht‹s, wobei zwar meist lang gezogen, aber eben doch sehr soft. Mitten am Nachmittag erblicke ich von einem kleinen Pass herunter die im Tal gelegene Stadt Laughlin. Wie eine bizarre Oase ragt diese Spielerstadt aus der Wüste. Gerade vor wenigen km hatte ich die Grenze von California nach Nevada überschritten. Und in Nevada wurde 1931 das Glücksspiel legalisiert. Reno und v. a. Las Vegas stehen ja noch mehr für jene Städte, die vom Profit der Kasinohotels leben. Alles erscheint extrem teuer hier. Selbst der McDonalds. Ich frage nach dem preiswertesten Motel der Stadt. »Drei Casinos weiter« lautet die Auskunft. Aber auch zu teuer. So fahre ich über den Colorado River nach Arizona in das Städtchen Bullhead City. Auch hier alles schweineteuer. »Sorry, it’s Valentines week-end«. Ich weiß, den Spruch habe ich nun schon häufiger gehört und so bleche ich halt. Von der anderen Flussseite glitzert Neonlicht, laute Musik dröhnt. Aber auch die kostenlos angebotenen Shuttles bringen mich nicht mehr zurück ins Spielerparadies. Ich habe am Nachmittag genug davon gesehen. Wahrlich ein Kontrast zum Nachbarstaat Utah, wo die Mormonen (über ihrer »Zentrale« Salt Lake City, wo ja 2002 die nächsten olympischen Winterspiele stattfinden werden), die Alkohol, Nikotin etc. entsagen, eifrig missionieren. Ihnen würde hier wohl der Hut hochgehen. Oder fänden sie es – zumindest in ihrem Innern – gar genial?