15. November

7:36 Uhr: Christoph macht sich auf die ungewisse und 3024 km lange Reise des Stuart-Highway von Darwin nach Adelaide. Was wird mich erwarten? Ist es wirklich unmöglich, wie mir viele prophezeit haben? V. a. aufgrund meiner miserablen Vorbereitung. Gerade einigermaßen von dem nicht zu spaßenden Dengue-Fieber genesen, dementsprechend in den letzten 25 Tagen gerade mal 80 km »spazieren gefahren«, noch nie in einer Wüste gewesen, ohne Mitstreiter. Und noch dazu zur »falschen Jahreszeit«, denn es geht dem australischen Hochsommer entgegen. Eine HITZE OHNE ENDE wird mich erwarten. Kann ich der trotzen??? Wie klappt es mit der Verpflegung, im besonderen mit dem so lebensnotwendigen Wasser? Finde ich immer geeignete Plätze zum Zelten, wie wird es mir mit den Aborigines ergehen, wie komme ich bei Defekten mit dem Rad zurecht, bekomme ich Probleme mit Schlangen, giftigen Spinnen, Skorpionen, roten Riesenameisen, Termiten, Kängurus, aggressiven Hunden, Dingos, Moskitos und den scheinbar extrem lästigen Fliegen, die in Nase, Ohren, Augen und Mund kriechen sollen (dort ist die für sie so wichtige Feuchtigkeit)? Was wird mir mit den bis zu 50 m langen Trucks, den so genannten »Road-Trains«, die Schafe- und Rinder- sowie andere Transporte tätigen und in Australien für ihren draufgängerischen Fahrstil bekannt sind, widerfahren? Und was wird es sonst noch alles geben? Fragen über Fragen und ich weiß keine Antwort. Nur Ungewissheit. Darum verlasse ich Darwin auch nicht in Euphorie, sondern ruhig und konzentriert. Nichts darf unüberlegt gemacht werden. Ich bin beladen wie noch nie, mit den 8 l Wasser über 35 kg. Da muss alles genau austariert werden, v. a., dass man auch bei Steigungen noch aus dem Sattel gehen kann. Stark mit Sonnencreme bin ich eingeschmiert, mein Kurzhaarschnitt mit dem in der Türkei erstandenen Kopftuch geschützt, das so auch gleich noch den Nacken bedeckt. Es rollt nicht schlecht, bedeutend besser als auf Bali. überraschend viele Tankstellen mit Wassernachschub und Fastfood, das sogar noch recht preiswert ist. Der Verkehr ist sehr geordnet, alle nehmen große Rücksicht auf mich. Aber nur wenige grüßen so begeistert, wie das oft in Asien der Fall war. Auch mit diesen »Road-Trains« mit ihren drei »Wagons« gibt es keine Probleme. Die Fahrer dieser Gefährte sollen oft unter Drogeneinfluss stehen, da sie sonst diese Knochenarbeit gar nicht machen könnten. Aber auch sie nehmen alle Rücksicht. Welch Unterschied zu Indonesien! Das ist aber natürlich nicht die einzige Differenz zwischen Indonesien und Australien. Ich bin einfach wieder in einer anderen Welt, in der mir bekannten. Na ja, ganz bekannt auch nicht, denn ich komme ins Outback und da geht es doch ganz anders als in Frankenthal zu. Besuch der »Crocodile-Farm«, wenn ich schon den so populären »Kakadu-Nationalpark« (ich habe nun sooo viel Tropenvegetation gesehen, aber eben noch nicht die dort auch vorkommenden Krokodile) auslasse, muss ich wenigstens mal ein Krokodil sehen. Hier sehe ich sogar viele, größere und kleinere. 7000 gibt es hier. Zur Leder- und Fleischgewinnung. Dennoch interessant, diese »Urviecher« mal live und original gesehen zu haben. Nach 60 km beginnt dann mein Hinterrad zu »schwimmen«. Nein, das darf nicht wahr sein, schon wieder ein Plattfuß. Wieder »schleichermäßig«. Sicher wie in Malaysia. Für kurze Zeit könnte ich den Radmechaniker von Darwin verdammen. Mich aber auch. Er hatte den unkonventionellen, »besseren Tesa- Streifen«, der auf den letzten 1000 km größeres Unheil verhindern half, mit den Worten, dass das unpassend sei, entfernt. Ich erzählte ihm von meinen Plattfüßen in Malaysia, dass da durch das schlecht aufgetragene Klebeband eine Stelle war, an der es am Schlauch reiben konnte. Nun aber fanden wir nichts und er war überzeugt, dass das o.k. sei. Er machte einen so kompetenten Eindruck, dass ich ihm glaubte. Aber mache das nie mehr, Christoph. V. a. nicht auf einer Weltumradelung und schon gar nicht vor einer Tour wie dieser durchs Outback. Tatsächlich ist der wieder ca. 5 cm lange Einschnitt noch viel feiner als in Malaysia. Aber was nützt es? Wie komme ich weiter? Flicken nutzt nicht viel, das habe ich ja schon erlebt. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis es wieder »finito« ist. Das nächste Radgeschäft? Keine Ahnung! In Alice Springs soll es eins geben, das sind aber noch über 1400 km. Und hier sind die sehr seltenen Ortschaften schon winzig, 20 Leute sind schon viel. Christoph, guter Rat ist teuer. Es ist heiß, ich schwitze stark. Eine alte Weisheit, dass Stehen in der tropischen Hitze unangenehmer ist als Rad fahren. Bin ich schon am Boden? Soll ich zurück nach Darwin? Nach 60 von 3024 km das Handtuch werfen? Nein, Christoph! Es muss eine Lösung geben, immer im Leben gibt es eine. Jetzt nur wieder ruhig werden und überlegen. Da kommt mir eine Idee, vielleicht klappt es ja. Ich zerschneide den lädierten und nicht mehr einsatzfähigen Schlauch mit der Schere. Ca. einen 2-cm-Streifen. Den tue ich über das Klebeband. Mehr schlecht als recht klebe ich den »Schlauchstreifen« noch fest, aber mein Kleber wird zu schnell hart. Dennoch wohl besser als nichts. Darüber den in Singapore mit den dortigen letzten $ gekauften Schlauch. Aufpumpen, so gut es geht, und es kann weitergehen. Christoph, ich bin stolz auf dich! Immer glaube ich selbst, dass ich extrem unpraktisch sei und nun habe ich mir selbst aus der Patsche geholfen. Auf dem Hinterreifen ist doch ein bisschen wenig Luft, v. a. angesichts des vielen Gepäcks. Ein Bus am Straßenrand. Ich frage nach einer Pumpe. Verrückte, klasse Typen. Eine Familie mit drei Kindern. Sie sind seit 15 Monaten auf Australien-Tour und wollen so noch weitermachen, bis es wieder heim nach Sydney geht. Wir geben dem Reifen die ihm verdiente Luft. Sie erzählen mir, dass sie in den letzten Monaten nur einen weiteren Radler auf dieser Route gesehen haben. Wieder ein Fast-Food-Laden. Nun sind die Preise schon »outbackmäßig«, eben teurer. Als Bedienungen immer auffallend hübsche und auch interessant, nicht dümmlich wirkende, Frauen. Ich trinke viel, aber auf dem Rad ist die Hitze recht gut zu ertragen. Noch kein Vergleich zu Indien im Juni. Ich erreiche »Adelaide River«, immerhin 115 km von Darwin entfernt. Für den ersten Tag echt gut, v. a. , da inklusive Besuch der »Crocodile Farm«und des scheinbar nicht zu lösenden »Plattfußproblems«. Ich bin zufrieden, aber nicht euphorisch. Denn nach Adelaide sind es noch 2910 km. Hier gibt es 200 Einwohner, fast schon eine »Großstadt«. Und einen Campingplatz, für 3 DM bin ich dabei. Zum ersten Mal seit dem 2. August – noch in Tibet bei den Nomaden – baue ich wieder mein Zelt auf. Schön. Dusche. Oh, meinen Rücken hat es etwas verbrannt, als ich während der Reparatur meines Hinterrades mein Trikot auszog, um die Hitze besser ertragen zu können. überhaupt werde ich ab morgen einen höheren Sonnenschutzfaktor verwenden müssen, ich bin die pralle Sonne halt nicht mehr gewohnt. Zudem hat das Ozonloch die Gefahr besonders hier verschärft. Ich trinke mein erstes australisches Bier. Auf Empfehlung eines Kumpels, der Australienkenner und -liebhaber ist und der übrigens der Einzige war, der es mir zutraute, die Strecke von Darwin nach Adelaide radeln zu können, nicht das touristisch bekannte »Fosters«, sondern »VB« (=Victoria Bitter). Guter Tipp, Linse!