18. – 22. August

Von morgens bis abends genieße ich es, die Krankenhauszeit hinter mir zu haben. Aber auch außerhalb eines Hospitals ist das Leben mit einer Thrombose nicht immer das große Zuckerschlecken. Viel Geduld ist aufzubringen. Mein Bein macht nur leichte Fortschritte. Alle paar Tage kommt ein kleiner Schub, so dass ich dann sukzessive wieder etwas weiter gehen kann. Und das bei gleichzeitig immer weniger humpelndem Schritt. So kann ich nach ein paar Tagen auch auf meinem kranken Bein wieder mit dem Mittelfuß auftreten und muss nicht mehr bei jedem Schritt auf die Ballen ausweichen. Meine Tage sehen meist recht gleichförmig, um nicht zu sagen: langweilig, aus: Morgens in immer die gleiche Bäckerei humpeln, um das Frühstück (Vollkornbrot; Joghurt) zu besorgen, das gleich anschließend »vertilgt« wird. Danach geht es in den Internetshop, umein bisschen zu Emailen, bis das Bein wieder leicht zu schmerzen anfängt. Dann zurück zum Hotel, wo ich meine nun tägliche Tablette »Wafarin« einnehme und anschließend das Mittagessen im Bett genieße. Meist esse ich italienisch oder mexikanisch. Das ist schmackhaft, scheint mir aber dennoch keine »Gefahr« für meinen Magen. Nach dem Mittagsschlaf gehe ich noch mal Emailen. Es folgt noch das Abendessen sowie ein bisschen Lektüre, wobei ich die »Radreisebibel« (»Weltführer Fahrrad – Reiseführer für Fernradler«) teilweise fast schon auswendig zitieren könnte. Ausgehen am Abend fällt noch aus, da ich noch nicht zu lange sitzen will. Denn das schmerzt noch. Dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, alle, die mich regelmäßig im Krankenhaus besucht haben, wenigstens mal zum Essen einzuladen. Im Hotel fragen alle Angestellten ständig, ob mein Bein denn nun endlich »fine« sei. Na ja, diese Worthülsen gehören halt zum Geschäft im gehobenen Hotelgewerbe. Mir gehen sie aber auf den Keks, da ich ja tatsächlich sehnsüchtig darauf warte, dass rasche Besserung eintritt. Das gleiche gilt für all die »Ermahnungen«, ich solle doch auf mich aufpassen, das sei eine »ernste Geschichte«. Das weiß und spüre ich doch selbst am Besten! Die Highlights dieser Tage sind ohne Frage die Telefonate mit der Heimat. Telefonieren mit »alten Bekannten« sowie Leuten, die mich nur vom Emailen dieser Tour kannten – trotz manchmal nicht einwandfreier Leitung eine tolle Sache für mich! Auch ein weiterer Besuch auf dem Postamt steht auf dem Programm. Und dabei machen Fernando und ich BEIDE wahrlich eine unglaubliche Feststellung: Wir waren zwar beide jeweils im Hauptpostamt, aber an je verschiedenen Plätzen. Fernando bei der »poste restante« für Briefe und Päckchen, wohingegen ich immer bei der »poste restante« für ausländische Pakete war. Das Verrückteste aber: Niemand hat uns je zu der anderen Stelle geschickt! Aber auch das hilft nichts. Heute suchen wir zwar nahezu alle Büros ab, aber unsere Pakete finden wir dennoch nicht. Für mich ist nur das kleine Päckchen mit ein paar Medikamenten und zwei Briefen da. Mal wieder (zum wievielten Male schon?) verlassen wir deprimiert das Postamt. Fernando hat festgestellt, dass sein Laufrad in Tibet auch an vielen Stellen angebrochen ist. Seit Lhasa hatte er das nur nie mehr kontrolliert. Nun muss er eine neue Felge in Bangkok bestellen, was nicht nur sein Budget stark angreift, sondern ihn auch noch für weitere Wochen an Kathmandu »fesselt«. Jetzt erfahre ich auch die weitere Geschichte des Liegenradlers Wout. Er ist noch am selben Tag(!) wie wir von Camp II abgestiegen, konnte aber aufgrund seines vielen Gepäcks erst am folgenden Tag das Everest-Base-Camp erreichen. Einen Tag nach uns kam er auch in Kathmandu an, sein Rad scheint sogar richtig gebrochen zu sein (ein Wunder auf solchen »Straßen«?) und am Tag, als meine Thrombose kam, ist er im selben Flieger wie Martin nach Hause geflogen. Nur wenige Tage später ging es auch für den Franzosen Frederic, mit dem ich im Juni in Nepal die Wege gekreuzt hatte und der noch drei bis vier Jahre auf Tour bleiben wollte, nach Hause. Seit Monaten immer wieder mit Magenproblemen kämpfend, hatte er in Indien sogar noch einen Sturz hinzunehmen. Aber in gut einem Monat will er von Frankreich aus wieder los, erst mal im Flieger nach Bangkok. Das Himalayagebirge als »Ausscheidungsfahren« für die Radtourenfahrer? Manchmal beneiden Fernando und ich all diese Radler, die schon wieder zu Hause sind, ein bisschen. Aber im Innersten sind wir froh, noch »on the road« sein zu dürfen! Zwei News bringen mein Blut in Wallung, wenn auch auf völlig unterschiedliche Art und Weise: Der FCK startet wie letztes Jahr mit zwei Siegen phantastisch in die neue Saison und die Amerikaner rächen sich für die zwei Bomben auf ihre Botschaften mit Bomben in Afghanistan. Kommentieren möchte ich Letzteres nur soweit, dass dies nicht gerade Liebe zur amerikanischen Außenpolitik (ist das amerikanische Machtgehabe nicht eine Variante des Imperialismus des 19. Jahrhunderts?; »Wir sagen Euch, was Ihr zu machen habt«) in mir erwachsen lässt. Gerade in Tagen, in denen ich von Vietnam-Traveller nimmer wieder geradezu unglaubliche Geschichten höre, was die U. S. – Amerikaner in diesem Land (und nicht nur da!) so alles angestellt haben. Noch heute kann man sich in Vietnam und Laos nicht abseits stark belaufener Wege bewegen, da es noch Unmengen an nicht entschärften Minen gibt. Täglich sterben deshalb HEUTE noch Menschen.