21. Februar

Gleich nach dem Frühstück in die »Old Town«, die historische Keimzelle der Stadt am Ufer des Rio Grande. In diesem touristisch erschlossenen Part mit ihren alten rotbraunen Bauten gibt es viele Restaurants und Galerien mit Indianerschmuck, oft auf den typischen »Western-Stil« getrimmt. Von hier aus geht es weiter in das von Indianern geführte »Indian Pueblo Culture Center«. Hier sind Indianer von allen 19 noch überlebenden Pueblos (in einem Pueblo leben zwischen 150 und 7500 Indianer) entlang des Rio Grande vertreten. Viele Geschenkläden gibt es, mit Indianerkunst oder was man zumindest dafür hält. Töpferei- und Nähwaren, kleine Metallkunstgegenstände und viele ganz normale Souvenirs. Daneben gibt es ein Museum. Dieses zeigt die Weltanschauung und Geschichte der Indianer, speziell jenen aus diesem Tal. Es wird deutlich, wie stark die Indianer – vergleichbar mit den Aborigines? – mit »Mutter Erde« verbunden sind oder zumindest waren. Und dann das dunkle Kapitel der spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert, die auf die indianische Kultur keinerlei Rücksicht nahmen und sie im Namen der katholischen Kirche missionierten (Jesu Wille war das sicher NICHT!). Damit wurden den Indianern die eigenen Wurzeln abgeschnitten. Die heutigen hier lebenden Indianer leben nun eine Mischform ihrer ursprünglichen und der christlichen Religion. Am Wochenende bekommen die Besucher noch indianische Tanzvorführungen geboten. Ein aus den eigenen Reihen kommendes Programm fördert die indianischen Traditionen, auch um dem Alkohol- und Drogenproblem beizukommen. Recht anmutig erscheinen mir die Tänze der jungen und traditionell (festlich, farbenfroh) gekleideten Leute. Zurück zum Hostel und aufs Rad. Die verbleibenden Stunden zum Sonnenuntergang will ich noch ausnutzen. Raus aus der Stadt und wieder auf den Freeway 40. Der Wind ist heute nicht so günstig, kommt genau von der Seite. Zudem geht es noch mal von 1500 auf 2200 m hoch. Bei Dämmerung habe ich dennoch mein Tagesziel erreicht. Aber es ist kleiner, als meine Karte vermuten ließ. Nur zwei Tankstellen, ein Restaurant und ein paar provisorische Häuschen (wohl für die Bediensteten). Ich frage nach einem Schlafplatz. Mehr als ein Platz unter drei Bäumchen zwischen Straße und Tankstelle bekomme ich aber trotz mehrmaligem Bitten nicht angeboten. Erst mal ins Restaurant, »All you can eat – salad« (hoffentlich bekomme ich keinen Vitaminschock.). Dann gehe ich raus und will mein Zelt in der Nähe dieser provisorischen Häuschen aufbauen, da mir das am Sichersten erscheint. Hundegebell. Eine füllige Frau, wohl noch nicht ganz der »Midlife-Crisis« entwachsen, kommt aus einem dieser Häuschen. Campen sei hier verboten, das sei Privatbesitz. Ich frage besorgt, ob sie meine, dass es draußen an der Straße für mich sicher sei. Das wisse sie nicht, aber ich müsse gehen. Ob es denn keine Alternative gäbe, ich würde auch sofort bei Sonnenaufgang verschwinden. NEIN! Und überhaupt würde sie nun den Sheriff holen. Ich warte und hoffe, dass jener verständnisvoller ist. Fünf Minuten später kommt aus dem Haus der fülligen Frau ein Mann raus. Von weitem meine ich auch in der Dunkelheit zu erkennen, dass er ein Gewehr mit sich führt. Und tatsächlich: Mit Gewehr IM ANSCHLAG kommt er auf mich zu! Mir beginnen die Knie zu schlottern, ich glaube, im falschen Film zu sein. Wie kann ich etwas tun, ohne ihn noch mehr zu reizen? Noch ist er zwei m weg, das Gewehr genau auf mich gerichtet. Ich mache den Mund auf und meine: »Sorry, I don’t want to make problems.» Zurück kommt ein lautes, aggressives: »What do you do here?« Ich versuche – etwas angespannt. – ihm meine Situation zu erklären.

Endlich lässt er das Gewehr sinken. Puuh. Dann wird er zwar nicht unbedingt freundlich, aber er meint, dass ich das Zelt hier aufbauen könne, gibt mir sogar noch einen Tipp, wo es am Besten wäre. Also baue ich mein Zelt auf, habe ich eine Alternative? Gerade als ich ins Zelt verkriechen will, kommt ein Auto mit grellem Scheinwerferlicht genau auf mich zugefahren. Drei Typen, um die 20 Jahre alt und nicht besonders Vertrauen erweckend ausschauend, sitzen im Auto. Ihr Englisch ist gebrochen. Sie stellen mir ein paar Fragen, die ich kaum verstehe. Zumindest inhaltlich nicht. Dass sie es nicht gut mit mir meinen, kann ich schon rauslesen. Ich stelle mich deppert, bin sehr freundlich und sage ein paar belanglose Dinge. Auf Fragen meinerseits antworten sie nicht oder höchstens ausweichend. Sie fahren weiter, schleichen aber nur und halten sich weiter auf diesem Gelände auf. Christoph, du musst hier weg! Hat die zweite Tankstelle nicht rund um die Uhr auf? Ich schnappe all mein Zeug inklusive aufgebautem Zelt und renne dem Licht entgegen. In Sicherheit! Aufatmen. Aber zum Schlafen werde ich diese Nacht wohl nicht kommen. Ich hänge in der Tankstelle ab. Plötzlich kommt einer der zwei Serviceleute zu mir und flüstert: »Wenn die Frau (offensichtlich seine Vorgesetzte, die nun um 23 Uhr Dienstschluss macht) weg ist, zeige ich dir einen Platz, wo du schlafen kannst«. So kommt es denn auch, kurz vor Mitternacht liege ich in einer Abstellkammer auf meiner Luftmatratze.