Gegen Morgen wird es verdammt kühl im Zelt. Kein Wunder, draußen sind es wieder ein paar Grad unter dem Gefrierpunkt. So zieht mich nichts raus, ich kauere mich noch mal im Schlafsack zusammen, döse weiter und lasse die steigende Sonne erst mal die Luft etwas erwärmen. Alles gemütlich heute, auch das Radeln. Auf der hier fast überhaupt nicht befahrenen »Route 66« (der eigentliche Verkehr läuft auf dem parallel verlaufenden Freeway 40 ab) die letzten knapp 60 km in die 160 000- Einwohnerstadt Amarillo, wo – wie es sich für Texas gehört – die ölindustrie regiert. überraschenderweise fühle ich mich topfit, keinerlei Auswirkungen von der gestrigen langen Etappe. In Amarillo biege ich gleich zum College ab. Dort lässt man mich ins Internet. Ich erledige das übliche. Vom Sieg des FCK bin ich genauso angetan wie vom Triumph der »Schwarzwaldadler« im Mannschaftsspringen der Nordischen Ski- WM. Dagegen verwundert mich, dass ich in Arizona nichts über die Hinrichtung eines Deutschen in diesem US-Bundesstaat mitbekommen habe. Lawinenkatastrophe in Tirol. Zuletzt schreibe ich – nach wieder über acht Stunden am PC – noch meinen Lebenslauf neu. Denn mein möglicher zukünftiger Arbeitgeber will genau wissen, WARUM ich im letzten Jahr auf Weltreise ging und WAS ich denn in diesem Jahr so alles gemacht habe. Gute Fragen. So ist es schon halb zehn am Abend, als ich die Unibibliothek verlasse. Sehr entgegenkommend waren die Damen an der Rezeption. Ich konnte mein Rad innerhalb des Gebäudes abstellen und sie »bewachten« es sogar noch die ganze Zeit. Nun sperre ich mein Rad gerade auf, da kommt von weitem eine Frau mit Kind hergerannt und fragt mich, ob ich schon einen Platz zum Schlafen hätte. Sie hätte mein Rad heute schon mehrmals hier stehen sehen. Sie schlägt mir vor, bei sich zu Hause zu campen. Ihr Name sei Bobbie, ihre Tochter heiße Stefanie und sie würde gerade mal noch schnell ihren Mann Mike anrufen. Ich bin baff, freue mich aber und sage zu. Ich fahre hinter ihrem Auto her und schon sind wir bei ihnen zu Hause. Mike ist genauso nett, richtet mir gleich ein Bett in ihrem Campervan her. Sofort bekomme ich was zu trinken und etwas zu Essen gemacht. Dusche natürlich inklusive. Meine einzige »Gegenleistung«: Stories von meiner Tour. Sie waren vor zwei Jahren in Afrika und wollen dieses Jahr nach Europa, Mike liest schon fleißig Reiseführer. Solche Abende sind sicher einer der Hauptgründe, WARUM ich diese Reise mache.