Heiligabend. Bedeutet hier wohl was Anderes als zu Hause. Erst zum dritten Mal in meinem Leben werde ich Weihnachten außerhalb von Frankenthal feiern. Vor langer Zeit mal mit Familie bei Verwandten in Belgien (kannst du dich noch erinnern, Joris?) und vor drei Jahren bei Freunden in einem kleinen Dorf (LANS) bei Innsbruck. Aber dies war eben auch jeweils in Mitteleuropa. Nun bin ich auf der anderen Seite der Erde. Was ich daheim an diesem Tag schätze, ist, dass gegen Mittag plötzlich eine himmlische Ruhe herrscht, aus all den gestressten Fratzen in den Straßen meist freundlich und herzlich grüßende Menschen werden. Am Nachmittag gehe ich dann gewöhnlich mit meiner Schwester in dieser wunderbaren Atmosphäre auf einen ausgiebigen Weihnachtsspaziergang. Dodo, ich habe ihn dieses Jahr vermisst! Und hier? Ich schreibe meinen 39. Reisebericht. Währenddessen höre ich im Hintergrund plötzlich wohlbekannte Stimmen, meine Schweizer Kumpels sind da! Weihnachten kann nun kommen. Am Nachmittag gehen wir auf die Straße. Betrieb und auch öffnungszeiten wie am normalen Werktag. Wir haben beschlossen, zum Badevorort von Adelaide, Glenelg, zu fahren, wohin die letzte Tram der Stadt fährt. Eine alte, historische Tram. Dementsprechend etwas hoppelig, aber lustig und niedlich. Am Abend sind wir dann also am Strand. Wir stellen uns das als ein anderes, nettes und unvergessliches Weihnachtsfest vor. Noch ein paar andere Leute sind da, sie sitzen in Gruppen im schön weichen Sand. Wir packen unser Bier und Wein aus und stoßen gemütlich auf traumhafte Weihnachtsstunden am noch über 30° C warmen Strand Südaustraliens an. Es kommen zwei Leute her, Mann und Frau. Sie zeigen uns ihre Medaillen. Aha, wie in Asien wollen sie dir scheinbar sogar auch hier am Strand was verkaufen. Ich packe meine »Dritte-Welt-Erfahrung« aus und sage: »Oh, very nice, but we are not interested.«. Sie gehen aber nicht. Na ja, auch wie in Asien. Dann aber sagen sie, dass sie Polizisten seien! Böse sind sie nun, sie haben meinen asiatischen Standardspruch wohl als Verarschung aufgefasst. Hier sei Alkohol trinken verboten, wir sollen 200 m weiter. Aha, dieses angeblich so freiheitsliebende Land, das einen überall kontrollieren muss. Die Sprüche vieler Aussies, dass sie ja viel »lockerer« seien als in Europa, nerven mich immer mehr. Mir kommen sie nicht lockerer, eher restriktiver vor, der britisch-puritanische Einfluss scheint noch spürbar. Also gut, wir werden 200 m weiterschauen. Das Bier dürften wir nicht mitnehmen. Auch o.k., dann trinke ich es aber wenigstens hier noch aus. Nein, auch das dürfe ich nicht, ich müsse es in den Sand kippen. Ich kann es kaum glauben. Wob in ich hier nur hingeraten? Das lasse ich mir nicht bieten. Es widerspricht mir stark, mir etwas so strikt verbieten lassen zu müssen, zumal wenn ich den Sinn des Verbotes beim besten Willen nicht einsehen kann. Also setze ich die Flasche an, um sie auszutrinken. Und in diesem Moment stürzen sich auch schon beide Polizisten auf mich, werfen mich zu Boden. Mit dem Gesicht im Sand, die Arme verdreht auf dem Rücken. Ich kann es nicht glauben, nirgendwo in Asien könnte ich mir eine solche Situation vorstellen. Ich schreie, sie sollen mich loslassen. Aber umso lauter ich schreie, umso fester drehen sie mir die Arme rum, so dass ich starke Schmerzen empfinde. Ich bin wütend. Sie lassen mich nach Einwirken meiner Kumpels los. Ich bin außer mir und beschimpfe sie laut auf pfälzisch. Solche arroganten, wichtig tuenden Arschlöcher! Wenn das in Australien so weitergeht, bekomme ich hier auf Polizisten können zu eingebildeten Bestien werden. Unsere friedliche Stimmung ist erst mal dahin. Weit entfernt von der »dry area« lassen wir uns wieder am Strand nieder. Das Meer rauscht und die Sterne funkeln. Langsam baut sich so wieder eine gemütliche Atmosphäre auf, zwei weitere Schweizerinnen gesellen sich noch zu uns.