26. September

Komme für meine Verhältnisse früh los. Fahre gleich über 70 km »in einem Sitz«. Landschaftlich wieder mehr Reisfelder, damit auch weitere Sicht. Am Mittag komme ich nach Hat Yai, der mit 150 000 Einwohnern drittgrößten Stadt Thailands (nach Bangkok und Chiang Mai im Norden) und dementsprechend ist diese Stadt auch das Wirtschafts- und Verkehrszentrum des Südens. Kulturelles hat sie nicht zu bieten. Für die Thais gilt Hat Yai als Shopping-Paradies, während es für die Malaysier, von denen jährlich über eine halbe Million die nur 60 km entfernte Grenze hierher passieren, ein Paradies für Alkohol und »käufliche Liebe« ist. Den muslimischen Nachbarn verdankt die Stadt den größten Alkoholkonsum landesweit und ihren Ruf als »Sündenbabel des Südens«: Denn fast 10 Prozent der hiesigen Stadtbevölkerung sind Prostituierte. Prostitution gibt es eben im islamisch geprägten Malaysia nicht. Weiter, denn ich will heute noch über die Grenze. Schwarze Wolken. Und dann kommt er auch, der Monsunregen. Da es aber üBERALL sehr dunkel aussieht, fahre ich weiter. Denn die Grenzbeamten warten nicht, bis ich (trocken oder nicht) auftauche. Also erster Schauer: Riesige Regentropfen trommeln stakkatoartig auf mich und die Umgebung nieder. Schnell bin ich bis auf die Haut nass. Aber es ist ja warm bis heiß hier, so dass ich dies eher als Erfrischung sehe. Der Regen endet und kurz darauf fahre ich sogar wieder auf trockener Straße. Zweiter Schauer, wieder bald darauf Regenstopp, dritter Schauer, diesmal sogar mit Nebel. Doch irgendwie macht es mir sogar Spaß, ich leide nur mit meinem Rad, das ich am Abend wohl mal wieder ölen sollte. Ich nähere mich der Grenze. Immer augenfälliger wird der gen Süden hin steigende muslimische Anteil der Bevölkerung. Immer mehr Frauen mit Kopftüchern, immer mehr Moscheen. Dies birgt ziemlichen Zündstoff für Thailand: Die Muslime fühlen sich benachteiligt und die sonst so »offenen« Buddhisten sehen sie tatsächlich nur als »Thais 2. Klasse« an. Erst in den letzten Jahren konnte der König für etwas Entspannung sorgen, u. a. dadurch, dass er eine übersetzung des Koran in Thaianfertigen ließ. Noch (für Touristen) ernsthaftere Spannungen hat es in diesem Grenzgebiet schon seit Jahren durch ehemalige kommunistische Rebellen- bzw. Banditengruppen gegeben. Aber davon bekomme ich nichts mit. GRENZE. Auf Wiedersehen, Thailand. Ich wünsche dir, dass Deine Töchter und Söhne Deine Kultur in Ehren halten mögen, denn sie bereichert nicht nur Euch Thais, sondern auch jeden, der es einmal erleben durfte. DANKE! 1 km Niemandsland ist zu durchqueren. Hier tausche ich mein Geld und erhalte »Ringgit«. Ein solcher malaysischer Dollar ist inzwischen nicht mehr ganz die Hälfte der DM wert, die Wirtschaftskrise Asiens hat auch Malaysia nicht ausgenommen. Gleich ab ins riesige und edel aufgemachte »Duty-free-Kaufhaus«. Ich besorge aber nur Crisp-Schokolade und 2 Liter Erdbeermilch. Vor der Malaysia-Grenze streife ich mir meine lange Hose über, denn ich habe Geschichten gehört, dass Leute mit Shorts an der Grenze zurückgesendet worden seinen. Immerhin geht es ja in ein stark islamisch geprägtes Land. Einreiseformular ausfüllen, Einreisestempel abholen und durch den Zoll. Hier treffe ich auf einen mich zunächst sehr kritisch musternden Beamten. Als er hört, dass ich den Großteil der Strecke von Deutschland (Mannheim kennt er sogar!) hierher geradelt bin, wird er immer freundlicher und kontrolliert nicht mal meine Taschen. Die Uhr wird eine weitere Stunde vorgestellt, ich bin nun der MESZ um sechs Stunden voraus. MALAYSIA: Das Meiste scheint sich nicht groß vom Süden Thailands zu unterscheiden: Flache, bis hügelige, saftgrüne Landschaft, freundliche Menschen, vergleichbare Preise. Aber viele Moscheen und (fast) alle Frauen tragen Schleier. Schade, dass die Religion oft an den Staat gebunden ist. Hier NUR die Religion, auf dem nächsten Staatsgebiet NUR jene. Und dies nur, weil irgend ein Herrscher diese mal hier eingeführt oder gar in einem blutigen Krieg regelrecht erkämpft hat. Bei Einbruch der Dunkelheit erreiche ich Alor Setar. Mit 205 km bin ich heute zum ersten Mal seit Indien wieder über die 200-km-Grenze hinaus gekommen. Der Patient Christoph Fuhrbach scheint genesen. Ich leiste mir ein Mittelklasse-Hotel, mit TV (nur drei malaysische Kanäle, wovon zwei staatlich und einer privat ist) und – zum ersten Mal seit elf Tagen – mit Air-Condition. Ich suche ein Internetcafé. Allein in einem riesigen und hochmodernen Kaufhaus gibt es zwei. Beide sind super preiswert und haben fachkundige und hilfsbereite Angestellte. Für den in dieser Hinsicht leidgeprüften Christoph ein himmlisches Gefühl. Kurz nach 23 Uhr suche ich noch was zu essen. Alles hat bereits geschlossen, sogar McDonalds. So ist das halt in strengen islamischen Ländern. Aber ich finde noch einen Straßenhändler, der gerade zusammenbaut. Reis mit fein gewürztem Gulasch und schmackhafter Soße. Dazu Gurkensalat. Damit lässt es sich gut schlafen.