1 Uhr: Wecken, die Erste: Ein Ehepaar schreit sich gegenseitig – laut über die gesamte Anlage – an. Der Mann packt zusammen und verschwindet samt Auto. Stimmt traurig. 4:30 Uhr: Wecken, die Zweite: Gewitter. Ich stehe auf, brenne vor Elan, da ich die Chance sehe, bereits heute Alice Springs zu erreichen. Um halb sechs bin ich auch abfahrbereit, aber das Gewitter tobt weiter. Warten, fast noch mal einschlafen und weiter warten. Um halb acht habe ich genug: Bei deutlich nachlassendem Regen und scheinbar heller werdendem Himmel breche ich auf. Der Regen hört sogar ganz auf. Dafür kommt Wind auf. Aus dem Wind wird ein Sturm, mit orkanartigen Böen. Der Regen setzt auch wieder ein, wird immer stärker und peitscht über mich her. Und kühl ist es, unglaublich. Jetzt, da ich bis auf die Haut durchnässt bin, friere ich sogar. Es ist mal wieder zum Verfluchen. Nass, kalt, trotz großer Anstrengung – des Sturmes wegen – kaum vorwärts kommend. Aber ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass ich mich dem Wetter anzupassen, ja sogar unterzuordnen habe. Jede Planung kann bei solch einem Outdoorsport eben von jetzt auf nachher über den Haufen geworfen werden. Mein vor ein paar Tagen getroffener badischer Kumpel kommt bereits wieder aus Alice Springs zurück. Bei ihm ist alles paletti, wir sehen uns wieder in Deutschland. Viel wird bis dahin noch passieren und dennoch rückt der März immer näher. Im nächsten Roadhouse, Aileron, noch 1667 km nördlich von Adelaide, beende ich diesen K(r)ampf ohne jegliche Freude. Für 59 km, die härter waren als manche doppelt oder dreifach so langen Etappen, habe ich über viereinhalb Stunden gebraucht. Schlafen, Spaziergang über die benachbarte Farm (mit Emus, Kängurus und Dingos) und die üblichen kleinen Vorbereitungen für den nächsten Tag. Am Abend im Pub setzt sich ein Truckfahrer zu mir. George, Grieche und seit 28 Jahren in Australien. Ich habe den Eindruck, dass er auch die entlegenste Ecke Australiens besser kennt als die meisten Leute ihr Nachbardorf. Er warnt mich: Der schwierigste Part des Stuart-Highway käme noch. In einer ca. 800 km langen Region (zwischen Marla und kurz vor Port Augusta) würde die Fliegenplage deutlich schlimmer, der Wind noch spürbar stärker, es gäbe lange Abschnitte ohne jegliche Versorgung und eine Menge giftiger Schlangen, vor denen ich mich sehr in Acht nehmen müsse. Und die Hitze sei im Truck selbst mit Air-Condition kaum auszuhalten. Wenn er die Hand mal kurz aus dem Fenster halten würde, hätte er den Eindruck, dass sie »brennen« würde. Das dumme ist, dass ich ihm das alles bei seinen Kenntnissen über Australien abnehmen muss. Er erzählt mir viel von Land und Leuten. Tut dies aber nicht gerade begeistert. Der schönste Fleck des Kontinents sei der südlich von Perth. Der Pub schließt, ich gehe in mein Zehn-Bett-Zimmer, in dem aber außer meinem Rad und den dazu gehörenden Gepäcktaschen nichts und niemand anzutreffen ist.