Am späten Abend und in der Früh werde ich zweimal von den über die Lautsprecher weit verbreitete Gebete der Muslime geweckt. Obwohl fremd, beeindruckend. Die Nacht war eh nicht gerade einfach. Unvorsichtigerweise haben wir einen Reißverschluss des Zeltes nicht ganz geschlossen und es kommen immer mehr ungebetene Gäste vorbei, die uns laut summend und auch Blut saugend nicht zur Ruhe kommen lassen: Schnaken en masse! So fühlen wir uns morgens wie gerädert. Zudem ist uns das Klopapier ausgegangen, was für den »Durchschnittseuropäer« in islamisch geprägten Ländern nicht gerade angenehm ist. Aber noch haben wir ein paar Taschentücher dabei. Immer wieder fallen uns neue, für uns noch ungewohnte Landessitten auf: Die Kinder tragen alle eine Schuluniform und zwar jedes Jahr eine andere, so dass man gleich ihre Klassenstufe erkennen kann. Frauen sind im öffentlichen Leben nicht überall präsent. Manche Plätze werden von Frauen nicht besucht, z. B. sehen wir in den vielen Cafés keine Frauen. Die Männerwelt dagegen ist den ganzen Tag überreichlich vertreten. Auf den Feldern sieht man meist viel mehr Frauen als Männer die Arbeit verrichten. Mich würde interessieren, was die mit mir studierenden Feministinnen dazu zu sagen hätten. Auf dem Land tragen die meisten Frauen auch ein Kopftuch, in den Städten ist dies weit weniger verbreitet. Obwohl Frauen sich also verschleiern sollen, sehen wir immer wieder viele einschlägige Magazine, auf denen Frauen in eindeutigen Posen abgebildet werden. Aber ich möchte dies alles in keiner Weise beurteilen, denn ich bin nur Gast in einer fremden Kultur, die ich kennen lernen und soweit als möglich verstehen lernen will. Außerdem erleben wir viele tolle Sachen. Immer wieder werden wir zum Tee eingeladen, die Leute wollen Kontakt mit uns aufnehmen. Sie staunen über die bereits von uns mit dem Rad zurückgelegte Strecke und helfen uns gerne, soweit dies ihre Sprachkenntnisse zulassen. Wir werden freundlich angelächelt, auf der Straße angefeuert. Nicht selten passiert es sogar, dass sich die Beifahrer aus dem Fenster rauslehnen, uns herzlich zurufen und dann in einer Wolke von Abgasen wieder von dannen verschwinden. Für mich sind solche Erlebnisse der Lohn für alle Anstrengungen. Am Abend ist mal wieder Kulturzeit. Wir kommen nach Bergama (Pergamon), das früher einmal das Zentrum der hochhellenistischen Kultur in Kleinasien war. Hier befindet sich die bedeutendste archäologische Grabungsstätte in der Türkei. Zudem wurde hier das Pergament erfunden. Wir besichtigen die grandiose Anlage des antiken Pergamon (Akropolis, Theater etc.). Sind alleine hier, denn offiziell ist die Einlasszeit bereits vorbei. Nicht zuletzt durch den bevorstehenden Sonnenuntergang herrscht eine faszinierende Atmosphäre. Zufrieden schlafen wir auf dem hiesigen Campingplatz ein.