28. Februar

Campen ist einfach schöner als in diesen miefigen, modrigen Motels rumzuhängen. Weiterradeln durch die Prärie. Dazwischen Dörfer. Das Wetter ist wieder spitze, es macht einfach Spaß zu radeln. Ich pfeife und trällere Liedchen – mit einer Freude wie schon lange nicht mehr. Ich beginne auch, stolz zu werden, dass meine Weltumradelung – zumindest für mich – nun noch eine runde Sache zu geben scheint. Irgendwie wird mir nun auch selbst bewusst, welche tolle Story ich da geliefert habe. Nie außerhalb von Europa gewesen, vom theoretisierten Studium und vielen dummen Sprüchen, wie schlecht »die Welt« doch überall sei (wie dumm die Sprüche waren, wird mir nun noch mehr bewusst!), einfach angetrieben, die »wirkliche Welt« zu sehen, packte dieser junge Bursche seine Siebensachen zusammen, schwingt sich auf sein Rad und fährt einfach los. Gleich auch noch durch den Wahnsinnskontinent (in vielerlei Hinsicht) Asien. Welche Krisen habe ich überstanden! Aber was habe ich selbst dazu überhaupt beigetragen? Nicht viel, ich habe nur immer weiter gemacht, nie ganz die Hoffnung aufgegeben, dass es nicht doch noch eine positive Wendung geben wird. Wirklich aus den Krisen geholt haben mich aber IMMER Andere! Nach meinem Umkehren im Osten der Türkei wart es Ihr (mit Euren Mails!) und die freundlichen Menschen im Iran, in der brütenden Hitze in Indien mein Vater sowie herzliche Menschen in Nepal, nach meiner Thrombose der Beistand Fernandos, nach dem Dengue-Fieber auf Java die faszinierenden Balinesen und nun – als ich mich sooo einsam fühlte – jene so spaßigen und auch konkret hilfsbereiten Menschen in den USA. Weitere ähnliche Situationen wären aufzuzählen, DANK an alle! Mit diesen positiven Gedanken erreiche ich Texarkana, jene Stadt, in deren Mitte die Grenze zwischen Texas und Arkansas verläuft, wie der Name der Stadt ja schon richtig vermuten lässt. Drei Motels gibt es hier, die ersten beiden waren voll und beim Dritten öffnet niemand von der Office. Aber auch kein Campground. Die nächste größere Stadt kann ich aber heute nicht mehr erreichen. Scheiße, was tun? Ich will nicht am Rande der Straße schlafen, sofern das überhaupt ginge. Meist ist das Land eingezäunt und Privatbesitz ist für die Leute hier noch viel bedeutender als bei uns. Zudem steckt mir noch die »Gewehr-Geschichte« von vor nur einer Woche in den Knochen. Was tun? Da kommt eine Frau beim dritten Motel her. Ich erkläre ihr meine Situation. Das Motel sei auch hier voll, aber wenn ich nur ein Bett und eine Dusche bräuchte, könne sie mir helfen. Klasse! Aber das Zimmer, das sie mir zeigt, ist bewohnt! Was soll das? Ja, sie wohne hier! Ich bräuchte ihr nur die Hälfte der Miete geben, dann könnte ich bis morgen früh hier bleiben. Aha, sie ist also gar nicht die Vermieterin.

Nein, die seien heute weg. Was nun? Ich fühle mich unwohl. Mit einer Frau, die ich nicht kenne, die aber mit allen Wassern gewaschen zu sein scheint und die auch ihre Hippie-Vergangenheit trotz ihrer schon knapp 60 Lebensjahre noch nicht verbergen kann, in einem Zimmer zu übernachten. Aber keine echte Alternative. Also bleibe ich (erst mal). Skurrile Situation. Sie bekommt Besuch, die Leute sehen recht vertrauenswürdig aus, auch wenn sie mit einem kurz im Bad verschwindet, um ihm Geld zuzustecken. Christoph, wo bist du da hingeraten? Bleibe wachsam! Später erzählt sie mir. Unablässig. Wohl ihr ganzes Leben. In den 60er reiste sie wie Jack Kerouac durchs Land, ihr Mann, mit dem sie 25 Jahre verheiratet war, ist/sei letztes Jahr erschossen worden. Einem ihrer Söhne ist/sei dasselbe Schicksal widerfahren. Ihr Hund sei ihr letzter Freund. Vor den für mich nun anstehenden Südstaaten warnt sie mich eindringlich. Viele Kriminelle.