Liebe Freunde! Nachdem ich ja nun in Kathmandu mit den PCs verwöhnt war, darf ich jetzt wieder »iranische Gefühle« nachempfinden. Seit 50 Minuten hier und gerade vier (kurze) Mails lesen können. Aber jetzt scheine ich wenigstens schreiben zu können. Darum will ich noch den Sonntag (28.06.) abhandeln, da dieser wohl inhaltlich noch zu den vorangegangenen Tagen dazugehört. Danach kann ein Schnitt gemacht werden (nur ein Vorschlag für »DIE RHEINPFALZ«). Ich werde zwar noch ein paar Tage in und um Lhasa bleiben (hier gibt es viele interessante Sachen anzuschauen und zu erkunden) und mich auch Ende der Woche noch mal von hier melden, dies wird dann aber wieder einen anderen Charakter haben. Darum: IN TIBET!!!
Nach einer kurzen Nacht früh raus, schnell frühstücken, zusammenpacken und alle benötigten Utensilien in den zum Flughafen fahrenden Bus verladen. Doch dann fährt der Bus nicht wie angekündigt gegen 7:30 weg. Stattdessen werden wir gebeten, uns doch die Zeit in den riesigen Parkanlagen des Hotels zu vertreiben. Was genau los ist, weiß niemand so recht. Wie soll es weitergehen? Ich informiere mich bei der Reiseleitung. Das Wetter in Lhasa sei sehr schlecht, so dass zur Zeit nicht geflogen werden könne. In den nächsten zwei, drei Stunden würde sich daran auch nichts ändern. Für mich birgt dies allerdings eine unverhoffte Chance: Ich kann zu der um 10:00 Uhr öffnenden »Immigration Office« gehen und dort versuchen, auf legalem Wege noch nachträglich einen nepalesischen Einreisestempel zu erhalten. Doch vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt. Ich lerne hier immer mehr, was Bürokratie wirklich ist. Welches Schlaraffenland haben wir in dieser Hinsicht in Deutschland!!! Zum einen ist keiner der Beamten wirklich an mir interessiert (»this is your problem«), die meisten sitzen nur rum, unterhalten sich oder lesen Zeitungen. durch einen »Kunden« lassen sie sich dabei kaum stören. Zudem werde ich immer wieder woanders hingeschickt. Immer wieder muss ich ihnen erklären, WARUM ich keinen Einreisestempel habe. Immer wieder die gleiche Story und dabei immer freundlich bleiben und am besten noch lächeln und sich vielmals entschuldigen. Aber was tue ich nicht alles, um nach Tibet zu gelangen. Dann muss ich Fotokopien vom Reisepass anfertigen, später noch ein paar Passbilder nachmachen lassen. Die Zeit verstreicht, aber ich muss ja vielleicht bald zum Flieger. Nach knapp zwei Stunden komme ich endlich zum obersten Vorgesetzten, der mir nur bedeutet, dass ich für mein Vergehen eine kleine »Strafe« (ca. 15 DM) zu zahlen hätte und außerdem wünsche er mir eine gute Reise. Wohl nie mehr in meinem Leben werde ich so leichtfertig einen Grenzübergang passieren. Als ich zu meinem 150 USD-Hotel (pro Nacht – und das in Nepal!!!) zurückkomme, wird mir mitgeteilt, dass es nach dem Mittagessen tatsächlich zum Flughafen ginge. Was für ein Timing! Am Flughafen erkundige ich mich zum zwölften Mal nach meinem von den »Emirates« vor zwanzig Tagen verschlampten Schlafsack. Ich müsse zuerst zu vielen verschiedenen Stellen, Stempel abholen. Wie soll ich das aber noch schaffen, bis mein Flugzeug geht? Mal wieder habe ich großes Glück! Ein alter Nepalese rennt mit mir kreuz und quer über den Flughafen. Immer, wenn ich glaube, dass wir nun endlich nach dem Schlafsack fragen können, bekommen wir hier nur wieder einen anderen Stempel und werden weiter verwiesen. Unglaublich! Dann aber erhalte ich tatsächlich meinen so lange vermissten Schlafsack! Ich bin happy, doch da kommt schon Daniel angerannt und teilt mir mit, dass unsere Fahrräder samt den sie transportierenden Bussen bereits weg wären. Als ich ihm bereits vorschlage, dass wir uns dann eben neue Räder in Lhasa kaufen müssen, die wir dann in Kathmandu wieder verkaufen können, taucht plötzlich doch noch der Busfahrer samt den beiden Rädern auf. Dann gilt es einzuchecken. Dann wieder die Grenzkontrolle: Mein Pass geht durch alle anwesenden Beamtenhände, bevor einer, damit wichtig tuend und ohne ein Wort sagend, verschwindet. Wohin? Was ist los? Alle Passagiere unseres Fluges nach Lhasa sind schon durch die Grenze durch. Nur Daniel wartet noch auf mich. Ich weiß nicht mal, wann mein Flieger gehen soll. Dennoch bleibe ich ganz ruhig. Eigentlich kann mir nun niemand mehr was anhaben und das Flugzeug wird nun nicht ohne mich gehen. Oder doch? Doch da kommt der Grenzbeamte zurück und winkt mich lächelnd über die Grenze. Der Flug ist grandios. Aus den Wolken schauen die höchsten (schneebedeckten) Gipfel der Erde heraus (u. a. auch der Mount Everest). In China angekommen, gilt es die Uhr um weitere 2 1/4 Stunden vorzustellen, ich bin jetzt der MESZ schon um immerhin sechs Stunden voraus. Die Grenzbeamten hier sind überraschend freundlich und sogar hilfsbereit. Nun steht noch eine knapp 100 km lange Busfahrt vom Flughafen in die Stadt Lhasa an. Diese Landschaft fasziniert mich wahnsinnig. Heute vor einem Jahr kam ich am späten Abend am Nordkap an (liebe Grüße an Gereon und – zwei Tage später auch an – Silke). Die Landschaft hier erinnert mich sehr an Magaröya. Karges Land mit schroffen Bergen. Grün gibt es nur in direkter Nähe zu Flüssen. Die Sonne im interessanten Zusammenspiel mit den Wolken. Einfach grandios! Ich bin so happy, dass ich hier sein darf! Dies begieße ich am Abend mit ein paar (guten Lhasa-)Bieren, auch wenn mich einige – bemutternd – davor warnen, wegen der ungewohnten Höhe (3683 m) hier Alkohol zu trinken. Ich weiß selbst, dass das nicht optimal ist, zumal ich bisher nur auf max. 3480 m war. Aber ich bekomme im Gegensatz zu vielen enthaltsam Lebenden kein Kopfweh. Die Nacht verbringe ich in einem großen Schlafsaal. Als ich nach Hause komme, tobt bereits ein gewaltiges Schnarchkonzert, was mich aber nicht davon abhalten kann, tief zu schlafen. Vielleicht habe ich ja auch tief geschnarcht?