28. Mai

Auf dem Weg zu Hassan sehe ich auch heute schon wieder Berti Vogts auf dem Titelblatt einer großen iranischen Zeitung. Ja, der Iran bereitet sich ausführlich auf die bevorstehende Fußball-WM vor. Bei Hassan bekommen wir wieder keine Internetverbindung, so dass ich doch leicht frustriert bin. Ich steige in ein Taxi. Plötzlich steigt eine junge und mir sympathische Studentin ein. Sie spricht mich auch noch auf Deutsch an. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Aber sie traut sich eh nicht, viel mehr mit mir zu sprechen. Das ist strikt verboten und kann schwer bestraft werden. Und wer weiß schon, wer da noch alles im Taxi sitzt. Nun muss ich endlich in eine Bank. Dort angekommen, suche ich einen Bankomaten. Fehlanzeige! Ein Bankangestellter schaut sich meine Kreditkarte so genau an, als hätte er so was noch nie gesehen. So will ich halt normal Geld tauschen. Aber ich werde (von einem Bänker!) darüber informiert, dass die Bank nur etwas mehr als die Hälfte des auf dem Schwarzmarkt üblichen Kurses zahlt. Andere Länder, andere Sitten! Ich ziehe aus meinem Hotel in Tabriz aus und versuche erneut, bei Hassan eine Internetverbindung zu bekommen, was aber wieder nicht möglich ist. Nachdem wir uns verabschiedet haben, kommt Bahmann »angeschlichen« und fragt mich ganz leise – damit es die Kollegen nicht mitbekommen – ob ich nicht bei seiner Familie ein Lunch zu mir nehmen wolle. Na klar! Allerdings muss ich so wieder durch die ganze Stadt zurück. Dies ist aber sofort vergessen, als ich dort gleich herzlich begrüßt werde. Wo haben die Frauen hier ihr Kopftuch und sonstige scheinbar unerlässliche Kleidungsstücke? Abseits der öffentlichkeit kann man sehen, wer mit den hiesigen Vorschriften glücklich ist und wer nicht. Hier sind sie wohl damit nicht glücklich! Alle laufen hier mit Jeans (die manchen Leuten hier verhasst ist) rum. Werde auch gleich mit Handschlag begrüßt. Sogar von den Frauen! Ich bin irritiert! Der Sohn muss hier genauso anpacken wie die Töchter. Das Essen ist wieder das Gleiche. Dafür meinen sie es besonders gut mit mir und geben mir Bier (!) zu trinken. Nicht nur weil es keinen Alkohol hat, würde ich jederzeit wieder einen Tee vorziehen. Denn Bierbrauen ist offensichtlich nicht gerade die Stärke der Iraner. Später gibt es allerlei gut schmeckende Früchte. Die sind hier sehr billig und gut. Die Familie ist sehr an Europa interessiert. Ich soll einfach erzählen. Anschließend zeigen sie mir Musikvideos, typische aserbaidschanische und auch persische Musik. Teilweise recht melancholisch und anklagend, aber mir gefällt es. Wie kitschig unsere typische westliche Popmusik ist, wurde mir so richtig in den letzten Wochen bewusst. Am späten Nachmittag beschließe ich dann, doch noch aufzubrechen. Denn Tehran ist noch weit. Die versammelte Familie lotst mich mit dem Auto noch mal durch die gesamte Stadt. Die Frauen sind nun wieder total verschleiert, hier sehe ich, was man unter »Zwangsverschleierung« verstehen kann. Nachdem wir uns gerade verabschiedet haben, ziehen schwarze Wolken auf. Bald beginnt ein starkes Gewitter. Ich habe Glück, dass ich noch am Rande der Stadt bin und werde von ein paar Leuten in eine Autowerkstattgerufen. Wieder keine verbale Kommunikation möglich. Aber sie holen mir Fladenbrot und Joghurt und geben mir dazu viel Tee zu trinken. Ich könne hier schlafen. Da aber die Straße noch knapp eineinhalb Stunden vor Sonnenuntergang fast abgetrocknet ist, will ich noch ein bisschen radeln. Wieder bin ich kaum unterwegs, da hält mich ein Mann an und bittet mich, bei ihm zu übernachten. Er macht gerade einen Englisch-Intensivkurs und will bald nach Kanada. Da bin ich gerade recht, um vom »Westen« zu plaudern. Da ich aber weiter will, lehne ich ab. Da kommt wieder Bahmann! Als er das Unwetter nahen sah, ist er gleich wieder umgedreht und über 50 km vorausgefahren. Wahnsinn! Und ich habe in der Zeit im Trockenen gesessen und es mir gut gehen lassen! Er ist nun froh, mich wieder gesund angetroffen zu haben und bietet mir auch an, bei seiner Familie zu übernachten. Da es mir bei ihnen sehr gut gefallen hat, fällt mir die Absage schwer. Beim Abschied hat Bahmann Wasser in den Augen, ich bin gerührt. Ich fahre noch eine Stunde und übernachte auf freiem Feld (was Anderes gibt es hier nicht) im Zelt.