4 Uhr aufwachen, heute drehe ich mich aber gleich wieder um und schlafe noch mal eineinhalb Stunden. Dennoch hat mich die Straße bereits um 6:15 Uhr wieder. Verdammt kühl, wie seit Tibet nicht mehr. Sicher nicht einmal 15° C! Dafür aber wieder der für Australien so typische blaue Himmel. Aber das Wichtigste und zugleich Beschissenste ist der Wind, besser Sturm. Genau wie gestern, direkt auf die Nase. Und sooo stark. Meine normale übersetzung für eine ca. 5-7 Prozent Steigung (42-20) kann ich nun auf dem Flachen nicht mehr treten, ich muss aufs 32er Kettenblatt runterschalten. Ich brauche für 10 km jeweils fast 40 Minuten, das ist nicht einmal mein Marathontempo früherer Tage. Frustrierend. Nach 40 km erste Rast. Obwohl ich »schleiche«, sind die Oberschenkel schon schwer. Wie soll ich die restlichen 93 km bis Alice Springs noch schaffen? Psychischer Trick: du musst vergessen, welches Tempo du sonst radelst. Vergesse auch die km! Trete einfach rein. Mit jeder Pedalumdrehung kommst du Alice Springs näher. Nicht nachdenken, einfach kurbeln, so locker es noch geht. Optimale Temperatur inzwischen, um die 25° C. Völlig ungewohnte »Kälteperiode« für diese Gegend und Jahreszeit. Die »Noch-50 km-Marke« weckt Euphorie in mir. Wieder einmal verspüre ich Kräfte, bei denen ich nicht weiß, woher sie kommen. Nichts scheint mich mehr aufhalten zu können. Dann überfahre ich den südlichen Wendekreis (»Tropic of capricorn«) und verlasse damit nach fast drei Monaten auch offiziell die Tropen. In den Pausen wundere ich mich selbst, wie ich bei diesem Sturm noch vorwärts komme. Aber es geht. Dann das Ortsschild von Alice Springs. Erste »Becker-Faust« seit der Entlassung aus dem Krankenhaus in Kathmandu. Die Hälfte der Kontinentaldurchquerung via Outback ist geschafft! Trotz dieser miesen Voraussetzungen. Wie heißt es doch so schön in der Werbung? »Nichts ist unmöglich« bzw. »Just do it«. Manchmal scheinen auch Werbungen Wahrheiten auszusprechen. Im dritten Backpacker-Hotel komme ich unter. Optimal hier. Internetcafé integriert. Ebenso eine »abgefahrene« Lokalität mit Tanzfläche. Daneben ein 24-Stunden-Supermarkt. Christoph, bist du schon im (siebten) Himmel? Am Abend lasse ich mir diese geniale Ausgehmöglichkeit natürlich nicht entgehen. Die Ankunft in Alice Springs, des Wunders erster Teil, muss ja auch noch gefeiert werden. Gute Musik, billiges Bier und interessante Leute. Einfach genial. Dann treffe ich auch noch die zwei Münchnerinnen, Simone und Nicki, zum wiederholten Male. Sie erzählen mir begeisterte Geschichten von den Naturschönheiten hier in der Nähe und von der sie so faszinierenden tollen Hilfsbereitschaft der Australier. Ihr Auto hatte schon wieder gestreikt. Leider macht der Laden hier dann aber heute deutlich früher als gewohnt zu.