Die ganze Nacht über hat es geregnet, gestürmt und immer wieder geblitzt und von weitem gedonnert. Heute vor einem Jahr bin ich mit 25 Frankenthaler Radlern zu unserer Partnerstädtetour von Colomes nach Soppot aufgebrochen. Nach anfänglichen Problemen wurde es noch eine geniale Sache. LIEBE FREUNDE ZU HAUSE, lasst unsere Sache nicht einschlafen. Spätestens nächstes Jahr »müssen« wir wieder was Tolles unternehmen!! Es ist nicht leicht, im Sturm ein Zelt abzubauen. Aber es klappt. Meine Kette zollt nun all den vergangenen Strapazen Respekt und »springt« unaufhörlich. Ohne großen Druck auf den Pedalen sowie auf bestimmten übersetzungen geht es aber noch. Dafür Gegenwind. Und schon wieder ein Unwetter! Diesmal sogar mit Hagelkörnern. Danach geht es wieder weiter, aber nur für eine gute Stunde. Denn auch das nächste starke Gewitter lässt nicht auf sich warten! WIEVIEL REGEN HABE ICH IN DEN LETZTEN ZWEI MONATEN ABBEKOMMEN!?!?!! Womit habe ich das nur verdient? Aber ich habe wieder Glück im Unglück: Heute morgen konnte ich noch in einem Restaurant Unterschlupf finden, nun in einer noch nicht ganz fertig gebauten Moschee. Bald flüchten auch noch drei Männer von der Gegend hierher. Der eine holt später all seine (sechs) Söhne, die mir dann dabei zuschauen müssen, wie ich eine ganze Kanne Tee alleine austrinke. Das hat sie beeindruckt! Aber insgesamt wird die Kommunikation immer schwieriger, was zum einen daran liegt, dass ich nur die lateinische Schriftzeichen lesen kann, die Leute hier aber oft auch nur ihre persische Schrift. Aber zudem gibt es im Iran noch ca. 35 Prozent Analphabeten. Auf dem Land und unter den Frauen (»da die ja nicht unbedingt in die Schule müssen«) ist dieser Anteil noch ungleich höher. Heute ist Freitag. Dieser Tag ist für Moslems vergleichbar mit dem Sonntag für Christen. Dennoch haben die meisten Geschäfte auf. Samstags und sonntags natürlich (sind hier normale Werktage) sowieso. Dennoch ist das heutige Bild mit dem in der Türkei am Wochenende durchaus vergleichbar: Die Leute fahren raus und picknicken. Immer wieder werde ich eingeladen, doch mitzuessen. Ich fahre durch eine tolle Landschaft: Die Straße schlängelt sich durch enge, begrünte Flusstäler mit vielen schroffen und hohen Bergen im Hintergrund. Die (meisten) Leute sind unverändert freundlich. Sie grüßen und winken, reichen mir aus dem Auto Früchte und jubeln mir manchmal zu, als hätte der Iran gerade sein erstes Tor bei der Fußball-WM geschossen. Was sich geändert hat, ist, dass es nun viele Menschen nicht mehr nachvollziehen können, dass ich ihre Sprache nicht verstehe. Das kapieren sie teilweise sogar nicht mal dann, wenn ich ihnen lächelnd einen Schwall zusammenhangloser »pälzischer Weerter« an den Kopf werfe. Vielleicht haben auf manchen abgelegenen Dörfern die Leute noch nie einen Touri gesehen? Verursache ich so – ungewollt – bei dem Einen oder Anderen vielleicht sogar eine Veränderung in ihrem Weltbild? Auf alle Fälle fordern sie hier viel von dir. Manche würden dir aber auch ihr letztes Hemd geben. Sie wollen alles teilen. Rückzug in die Einsamkeit und »Privatsphäre« – was für uns Mitteleuropäer doch so wichtige Werte geworden sind – scheinen sie kaum zu kennen.