Rheinpfalz-Artikel: Mit leichtem Gepäck auf die 4000-Kilometer-Etappe

Bereits am 08.07.2017 erschien ein Artikel von Oliver Wehner in der Rheinpfalz, die Christoph und seinen Start bei der Transcontinental 2017 porträtiert.

RADSPORT: Der Neustadter Christoph Fuhrbach startet beim außergewöhnlichen „Transcontinental“-Rennen quer durch Europa

NEUSTADT. Ein Radrennen über eine einzige Etappe von sage und schreibe fast 4000 Kilometern? Ein Tippfehler, mögen Sie jetzt einwenden: Da ist eine Null zu viel, mindestens. Nein, ist sie nicht. Der im Radsport, auch der extremeren Art, sehr erfahrene und erfolgreiche Neustadter Christoph Fuhrbach wagt sich an diese „ein bisschen verrückte, sehr ursprüngliche, tolle Mischung aus Reise und Rennen“ – das „Transcontinental“ quer durch Europa.

Als Fuhrbach im Frühjahr von Mike Hall, dem Erfinder und Organisator dieses außergewöhnlichen Radren- nens, persönlich die E-Mail mit der Zusage für seinen Start erhielt, freute er sich sehr. Über 1000 Sportlerinnen und Sportler möchten jedes Jahr da- bei sein, es gibt aber nur 300 Plätze. Mit seinen Vorleistungen jedoch stand der 46-jährige Neustadter gut da, auch wenn er einräumt: „Ich habe noch nie, nicht mal für den Beruf, einen solch detaillierten Bewerbungs- bogen ausfüllen müssen. Sie wollen halt abchecken, dass niemand blauäugig an die Sache heran geht.“

Die Gefahr hat bei Fuhrbach nie be- standen, der Sport bestimmt das Le- ben des Familienvaters, im Beruf Referent für weltkirchliche Aufgaben im Bistum Speyer. Über Triathlon und Laufen landete er beim Radsport, gern bergauf, gern extrem. „Aber in der Ultraszene bin ich unbekannt, weil ich noch nie so ein Rennen gefahren bin“, weiß Fuhrbach, der viermal deutscher Mannschaftsmeister im Berglauf war, eine Marathon-Bestzeit von 2:31 Stunden aufweisen kann, 2010 den 24-Stunden-Höhenmeter- Weltrekord auf dem Rad aufstellte und Top-Platzierungen bei „Bergauf“-Radrennen feierte. Ein Leistungssportler mit einem kritischen Blick auf eben diesen Leistungssport, aber auch aufs Leben. Das „Transcontinental“ hat ihn
in diesen Zeiten besonders gereizt, da Europa, die europäische Idee, angesichts des Brexit und der in
den EU-Staaten sehr unterschiedlich behandelten Flüchtlingskrise auseinander zu brechen droht. „Wir haben einen tollen Kontinent, auch wenn ich mir ein Europa wünschen würde, das noch ökologischer, sozialer und solidarischer ist“, bemerkt Fuhrbach.

Die Regeln des „Transcontinental“ sind einfach. Start am Abend des 28. Juli in Muur an Geraadsbergen/Belgien, Ziel – wann auch immer, Fuhrbach hofft für sich neun Tage später – die Metéora-Klöster in Griechenland. Da- zwischen: vier Kontrollpunkte, der erste am Schloss Lichtenstein südlich von Reutlingen, dann Monte Grappa nördlich von Venedig, in der Hohen Tatra/Slowakei und an einer Passstraße in Rumänien. An diesen vier Pflichtstellen müssen die Fahrer auf- tauchen, wie sie dorthin kommen, ist ihr Problem. Letztes insofern buchstäblich, als dass sie keinerlei Unterstützung von eigenen Helfern in Anspruch nehmen dürfen und auch ihr Gepäck selbst transportieren müssen.

Entsprechend minimalistisch sieht das bei Fuhrbach aus. Eine kleine Lenkertasche mit Proviant, zwei weitere noch kleinere Beutel mit Zahnbürste, Ersatztrikot und -hose sowie T-Shirt und kurzer Hose, „das ist aber vielleicht schon Luxus“. Navigationsgerät ist erlaubt, Unterkünfte dürfen erst vor Ort gebucht werden. Fuhrbach betont: „Ich habe schon vor, in der Nacht zu fahren, aber auch ein paar Stunden zu schlafen.“ Er will nicht nur ankommen, sondern rechnet sich durchaus einen Platz unter den ersten Fünf aus. Mit einem Crack der Szene, dem dreimaligen Sieger Kristof Allegaert aus Belgien, hält er per Mail Kontakt.

In Vortouren hat Fuhrbach bereits Teile der Route erkundet, schließlich will er wissen: „Wie ist die Straßenbeschaffenheit? Wie sind Hotels, Pensionen? Wo kann man mit Euro zahlen? Was kann ich einkaufen?“ Unwägbarkeiten bleiben zur Genüge. Der vegan lebende Leistungssportler geht davon aus, hier und da auf vegetarische Kost umsteigen zu müssen. Übrigens: Gleich zu Beginn des Rennens führt es ihn aus Frankreich kom- mend kurz durch die pfälzische Hei- mat. Ein schneller Besuch in Neustadt bei der Familie, viel mehr wird nicht drin sein. Um die 3500 Kilometer lie- gen dann noch vor ihm, und Fuhrbach will ja bei der großen Siegerehrung in Thessalien dabei sein: „Eine Rückreise habe ich noch nicht gebucht.“

Ob es Mitfahrer gibt, die sich dopen? Fuhrbach verwundert die Frage im ersten Moment. Sein Credo: „Wer sich selbst bescheißt, ist selbst schuld.“ Nicht mal Aspirin oder Ibu will er als Schmerzmittel mitnehmen: „Wenn’s mein Körper hergibt, ist es toll.“ Wenn nicht, dann eben nicht.

Zurück zu jener Bestätigungsmail, die Fuhrbach von Mike Hall erhielt. Kurz nach deren Eingang wurde der 35-Jährige bei einem Rennen in seiner Heimat Australien von einem LKW er- fasst und getötet. Seine Crew und der Sponsor entschieden, das „Transcontinental“ in Halls Gedenken trotzdem zu stemmen. „Ganz im Sinne von Mike, der zurück zum Grundgedanken des Radsports, zur Ursprünglichkeit wollte“, weiß Fuhrbach.

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