Die Wetterprognosen der letzten Tage verdichteten sich immer mehr dahin, dass rund um dieses Wochenende in Costa Rica ungünstige Radfahrbedingungen herrschen würden. Da in den Bergen sehr viel Niederschlag inklusive etlicher Gewitter, an der Pazifikküste aber weniger Regen und fast gar keine Gewitter erwartet wurden, entschied ich mich schweren Herzens meine Route zu verlegen: anstatt in das Hochland, wo es an der „Cerro Alto“ auf über 3300 m hinauf gehen sollte (darauf hatte ich mich seit Wochen gefreut!), möchte ich nun an der Pazifikküste entlang fahren. Auch auf dieser Route soll es den ganzen Tag immer wieder regnen. So hatte ich gestern Abend noch eine Unterkunft gebucht (nach 225km), um ein Ziel zu haben, auch bei dem zu erwartenden Wetter zumindest so weit zu kommenm, dass es realistisch bleibt, bis Mittwoch nachmittag am Int. Flughafen von Panama zu sein.
Da die Etappe aber nicht so lang ist, schlafe ich aus. Starte gegen 6:30 Uhr. Frühstück gibt es erst ab 7 Uhr. Habe daher schon mein eigenes Frühstück gegessen. Die Frau an der Rezeption fragt, ob ich aber schon einen Kaffee haben möchte. Den nehme ich gerne an. Leider können wir uns nicht unterhalten. Obwohl ich immer wieder gehört hatte, dass in Lateiunamerika nur ganz wenige Menschen Englisch sprechen, hätte ich mir vor dieser Reise nicht vorstellen können, dass dies wirklich so extrem ist. Sollte ich noch einmal nach Lateinamerika reisen, muss ich vorher deutlich besser Spanisch sprechen können.
Die Straßen sind vom nächtlichen Regen noch nass, aber aktuell nieselt es nur ganz leicht. Es lässt sich gut radeln. Ich bin überrascht, wie stark der Verkehr bereits am frühen Sonntag morgen ist: viele Autos und auch LKW. Zu Fuß Gehende oder mit dem Rad Fahrende gibt es ebenso wie Menschen auf Pferde oder Esel im Gegensatz zu den Nachbarländern nur sehr selten. Auch gibt es hier offenbar nicht so viele tote Tiere auf oder neben der Straße.
Die Gegend ist abwechslungsreich: viele Hügel, immer wieder Wälder, aber ganz unterschiedlicher Art. Dazwischen auch landwirtschaftliche Parzellen, viele Flüsse. In der Ferne sind die hohen Berge zu erkennen.
Viele kurze Steigungen. Von Regen weiterhin Nichts zu sehen, inzwischen ist es sogar komplett trocken. Überlege noch einmal kurz, ob ich nicht doch in die Berge fahre. Allerdings sind diese in dicke Wolken gehüllt. Kann gut sein, dass es dort auch bereits regnet. Also fahre ich zum Pazifik. Kurz nach Barranca erreiche ich diesen. Erkenne bald schönen Badesandstrand. Touristisch ist es hier. Bald führt mich die Straße wieder ein Stück ins Landesinnere. Bei Jaco gibt es wieder sehr schönen Sandstrand, aber auch Touristenburgen. Wirkt nicht schön. Danach wird es oft sogar ein wenig eintönig: lange, flache Geraden. Links und rechts nur dichte Palmen“wälder“. Für den knapp 70km langen Abschnitt zwischen Jaco und Quepos hat das Auswärtige Amt eine Reisewarnung wegen Gewaltkriminalität heraus gegeben. Zumindest hier auf der „Pazifica“ kann ich mir das kaum vorstellen.
Es ist extrem schwül, eben tropisch. Fällt mir am Nachmittag nicht ganz leicht.
Auch sonntags haben die Geschäfte auf. Diese sind total klimatisiert. Das war aber auch in den anderen Ländern Mittelamerias so. Wenn ich dann aus den Supermercados heraus komme, trifft mich die tropische Hitze draußen umso mehr.
Die Geschäfte sind offenbar auch sonntags immer auf, auch lange.
An der Pazikküste fallen mir zunehmend Bananenplantagen auf. Costa Rica (was so viel wie „reiche Küste“ bedeutet; der Name geht auf Christoph Kolumbus zurück) produziert weltweit die siebtgrößte Menge an Bananen und ist sogar der zweitgrößte Bananenexporteur. Ich habe aber auch gelesen, dass die großen internationalen Fruchtkonzerne wie z.B. Chiquita, Dole und Del Monte in den letzten Jahren durch die Erschließeung vieler neuer Flächen Costa Rica zum größten Ananasexporteur weltweit gemacht haben, auf Kosten der Umwelt und der kleinbäuerlichen Landwirtschaft. Die Arbeitsbedingungen der 27.000 im Ananasanbau arbeitenden Menschen seien katastrophal: sie hätten zumeist keinen gewerkschaftlichen Schutz und arbeiteten unter sehr schlechten Gesundheitsbedingungen. Ob das im Bananenanbau anders ist? Fair gehandelte Bananen fallen mir jedenfalls nicht auf. Gibt es solche ohnehin nur für den Export? Mir fällt ein, dass der berühmte Theologe Karl Rahner einmal gesagt haben soll, dss die Verstrickung in die Sünde der Welt mit dem Einkauf von Bananen beginne. Das gilt natürlich für die katastrophale Ökobilanz von nach Mitteleuropa exportierten Bananen, ebenso für die oft schlechten Arbeitsbedingungen der in der Landwitschaft Tätigen. Als ich mich später im Supermarkt nach Bananen umschaue, erkenne ich keine Aufkleber von den großen Int. Peroduzenten. Aber immerhin einen Hinweis, dass die Produktion klimaneutral sein soll. Ich kaufe die (sehr preiswerten) Bananen, wenn auch nicht mit ganz reinem Gewissen.
Ich nähere mich meinem Tagesziel Portalon. Von der Haupstraße muss ich noch 1km auf einer stark geschotterten Piste. Fast jede Nebenstraße ist auch in Costa Rica noch geschottert bzw. eine Erdstraße. Übernachte in einer Öko-Logde. Da offenbar aktuell wenig Betrieb ist, wurde der reguläre Preis (114 €) um mehr als zwei Drittel reduziert. Dennoch meine teuerste Übernachtung auf dieser Reise. Die Anlage ist aber sehr schön gestaltet, sowohl ästhetisch als auch unter Naturaspekten. Kleine Pfade, fast wie ein Labyrinth. Viele Bäume. Kleine Hütten. Konsequenterweise ohne die hier (selbst in preiswertesten Unterkünften) sonst schon obligatorische Klimaanlage. In der Mitte eine wunderschöne große, strohbedeckte Hütte. Als ich unter dieser Hütte sitze, beginnt ein starker und auch lange andauernder Tropenschauer.