Wieder nur kurz geschlafen. Aber dennoch fühle ich mich recht gut ausgeschlafen. Nutze de Zeit, um Berichte zu schreiben.
Abschiedsfrühstück bei Carolina und Mario: viel frisches Obst. Frisch gepresster Orangensaft. Schmeckt sehr intensiv und unglaublich aromatisch.
Bin den Beiden für ihre große Gastfreundschaft sehr dankbar, die ich in vollen Zügen genießen durfte.
Carolina hat heute Termine in der Hauptstadt, u.a. bereitet sie mit Anderen eine Konferenz in der kommenden Woche vor. Daher fahre ich über zwei Drittel des Weges mit Carolina im Auto mit. Wir unterhalten uns, für mich sehr bereichernd. Kann Manches nun besser verstehen. Ein Beispiel: als ich Carolina von der Frau erzähle, welche die Verpackungen, die ich ihr zurück gegeben habe, damit sie sie entsorgt, zum Fenster hinaus geworfen hat, bietet mir Carolina eine sehr interessante Erklärung an: die Menschen hier haben früher alles in großen Blättern (von Pflanzen) eingepackt. Wenn sie die darin verpackten Lebensmittel gegessen hatten, haben si diese Blätter in die Natur geworfen. Das tun sie heute noch. Nur werfen sie heute Plastik statt Pflanzenblätter weg…
Mir fällt nun im Auto noch viel mehr als auf dem Rad vor zwei Tagn auf, wie kurvig fast die gesamte Strecke ist. Im Hochland wird auch viel Mais angebaut. Aber im Gegensatz zum Tiefland nur in kleinen Parzellen, meist für den Eigenbedarf. Hier gibt es auch keinen Gen-Mais. Zudem ist die Sortenvielfalt hier noch immer groß, u.a. gibt es überall auch gelben, roten, weißen uns schwarzen Mais. Diese Maissorten stehen für die Mayas auch für bestimmte Dinge im Leben. Ihre ganzheitliche Weltsicht beeindruckt mich noch zunehmend mehr. Ich glaube, dass ich noch ganz viel von den indigenen Völkern lernen kann.
In Chimaltenango steige ich aus Carolinas Auto aus. Ich will zu den beiden Vulkanen „Fuego“ und „Aqua“ und zur alten Hauptstadt des Landes, Antigua. Die Straße ist zunächst schlecht. So freue ich mich, dass sie nach einigen km richtig gut wird. Für mich überraschend geht es lange bergauf. Ich steuere voll auf den „Fuego“ zu. Beeindruckend hoher Vulkankegel. Fuego ist immer noch aktiv, oft sieht man auch Rauch aus ihm aufsteigen. Aktuell bin ich mir aber nicht sicher, ob es sich um Rauch oder nur um ein paar Wolken handelt, die genau an der Vúlkanöffnung hängen – ansonsten blauer Himmel. In der Sonne warm, im Schatten in der Höhe frisch. Am Fuße des Fuego müsste es nun laut meiner Karte einen Abzweig Richtung Osten geben. Ich finde sie aber nicht. Komme höher und höher. Dann habe ich offenbar die Passhöhe erreicht. Eine rauschende Abfahrt folgt. Sie nimmt kein Ende. Kein Ortsschild, an dem ich mich orientieren könnte. Aber auch fast gar kein Verkehr. Zudem traumhafte Ausblicke auf die Vulkankette am Atitlan-See. Irgendwann bin ich mir sicher, dass hier kein Abzwei mehr zum Aqua folgt. Da ich Carolina noch in den Häusern der Bischofskonferenz treffen möchte, beschließe ich, um zu drehen. Heftiger Anstieg. Geschätzte 12 km nonstop bergauf, mit einigen Steilpassagen. Hinab nach Chimaltenango. Von dort auf der Hauptverbindungsstraße nach Guatemala-Stadt. Viel Verkehr. Finde das Gebäude der Bischofskonferenz nicht direkt. Bin erst in einer Botschaft, dann in einer angrenzenden kirchlichen Schule. Bin zu spät. Tut mit v.a. für Carolina leid. Sie hatte sich schon etwas Sorgen gemacht. Ihr Bischof war heute auch da. Leider musste er nun aber wieder nach Hause, daher können wir ihn nicht mehr treffen. Carolina zeigt mir die Büros und Sitzungsräume der unterschiedlichen Komissionen, von Migration bis zu Liturgie. In ihrem Bereich gibt es nun zeitlich beristet zwei Stellen, die Misereor finanziert: die beiden KollegInnen sollen Strukturen schaffen, damit die Menschen ihre in der Verfassung grundgelegten Rechte – mit Hilfe eines noch zu erarbeiteten Schemas – relativ leicht einklagen können.
Nun ist die Zeit, Abschied zu nehmen und Carolina danke zu sagen für alles, was sie mir in den letzten Tagen näher gebracht hat! Was ich schon lange dachte und immer wieder gehört habe, konnte ich nun selbst sehen: Carolina macht großartige Arbeit hier.
In der Dämmerung fahre ich ins Zentrum. Bin überrascht, wie gut das geht und dass ich relativ flott auch zum Projekthaus des Stipendienwerk „Samenkorn e.V.“ finde. Christian, seine Frau und zwei Mitarbeiterinnen des Projekts gehen mt mir in das Zentrum. Das gibt es die „Avenida 6“, die für den Verkehr gesperrt und nun als Fußgängerzone ausgewiesen ist. Urbanes Flair mit bummelndes Menschen und Musik ist hier deutlich zu spüren. Nach einem gemeinsamen Abendessen in einem historischen Gebäude schlendern wir über den morgen feierlich öffnenden Weihnachtsmarkt auf dem zentralen Platz in der Hauptstadt: mit Eisbahn (!), vielen Buden, künstlichen (und bunt leiúchtenden) Weihnachtsbäumen und weiteren Attraktionen. Viele Leute sind schon da. Hier befindet sich auch der Präsidentenpalast und die Kathedrale. Letztere ist leidr schon zu. Interessant sind aber die Namen der im Bügerkrieg (1960 – 1996) Ermordeten auf Säulen direkt vor der Kathedrale. Christian berichtet mir, dass es nur wenige Kräfte in der Gesellschaft gibt, die sich für eine Aufarbeitung diesen Teils der Geschichte einsetzen. Umso stärker war dieses Zeichen direkt an der Kathedrale.
Nun muss ich mich auch bereits von Christian und seinen Mitarbeiterinnen verabschieden, denn morgen beginnt das Jahresabschlusstreffen aller StipendiatInnen, außerhalb des Zentrums. Auch Christian gegenüber bin ich sehr dankbar. Ich bin überzeugt von der Arbeit, die hier geleistet wird. Das Projekt kann ein Baustein zu einer positiven Veränderung im Land sein – www.stipendienwerk-guatemala.de
M.E. kann das Bistum Speyer stolz darauf sein, dass zwei so engagierte und weitblickende und heruzliche Menschen von uns hier in Guatemala so Frucht bringende Arbeit leisten.
In den Nachrichten lese ich noch, dass es in El Salvador ein starkes Erdbeben gab (ich bin nur noch ca. 300km davon entfernt) und in Nicaragua/Costa Rica einen Hurrikan.
Bei der Einschätzung, ob meine Reiseroute über El Salvador oder weiter nördlich über Honduras sicherer ist, gehen die Meinungen auseinander. Sicher aber scheint, dass die Jungendbanden der Maras in El Salvador auf jeden Fall stark aktiv sind. So tendiere ich dazu, die nördlichere (wenn auch um knapp 170km weitere) Route über Tegucigalpa zu nehmen.
Schön, im mir schon bekannten Zimmer des Projekthauses übenachten zu dürfen.
Herzlich,
Christoph (in gut einer Stunde werde ich Richtung Osten starten)