Ruanda – 25.11.2013

Vom Surren eines Moskitos geweckt. Gott sei Dank schlief ich unter einem Moskitonetz

Um 6 Uhr bekomme ich Frühstück, schon eine halbe Stunde später sitze ich wieder auf dem Rad. Unglaublich viele Menschen sind auf der Straße, es sieht nach einer „Völkerwanderung“ aus. Die Meisten sind wohl auf dem Weg zur Arbeit, oft auf dem Feld. Viele haben entsprechende Werkzeuge in der Hand, besonders häufig Macheten und lange Sägeblätter. Etliche Radfahrer transportieren nicht nur die üblichen Gegenstände, sondern oft auch noch ein bis zwei weitere Menschen auf ihrem Gefährt. Ähnliches gilt für die Motorräder. Autos und Kleinbusse sind auf dieser Route noch viel seltener auf dem Weg. Mir fällt auf, dass es hier wirklich fast nur dünne Menschen gibt, was sicher auch an den vielfältigen Bewegungsformen des Alltags liegt. Ein Fitnessstudio braucht hier jedenfalls niemand. Dennoch habe ich nie den Eindruck, dass die menschen hier kurz vor dem Verhungern stünden. Es wächst und gedeiht so viel, dass die Meisten sich offenbar gut von ihrem eigenen Feld ernähren können.

Nach 20km beginnt ein langer, nur recht selten von sausenden Abfahrten in tief eingeschnittene Täler unterbrochener, Anstieg, der mich auf immer höhere Hügelketten führt. Der Asphalt auf den Straßen ist nach wie vor sehr gut, deutlich besser als auf den meisten Kreisstraßen bei uns zuhause. Allerdings sind die meisten Straßen, die von der Hauptstraße abzweigen, Naturstraßen, die z.T. sehr holprig und aktuell oft auch schlammig sind. Ich passiere ein großes UN-Flüchtlingslager, anscheind mit vielen Flüchtlingen aus dem nur noch knapp 100km entfernten Kongo.

Bald komme ich in den Naturpark „Foret de Nyungwe“. Plötzlich sind keine Menschen mehr auf der Straße, ich bin für mich ganz allein. Ich genieße diese Stille, die höchstens vom Gesang einiger Vögel oder vom Geschrei von ein paar Affen unterbrochen wird. Schnell habe ich den höchsten Punkt auf rund zweieinhalbtausend Meter Höhe erreicht. Es ist ein bisschen frisch hier oben. Ganz in der Nähe befindet sich die Nilquelle, die sich von hier auf einen fast 7000 km langen Weg bis zur Mündung in Ägypten ins Mittelmeer macht.

Die mit mir Reisenden holen mich ein, allen geht es gut. Danach bin ich wieder allein. Es beginnt zu regnen, abschmittsweise wird die Straße nun schlechter. Die Berg- und Talfahrt geht weiter. Ich merke, dass ich in den letzten eineinhalb Monaten nur noch ganz wenig Rad gefahren bin. Zugleich kann ich auch keine lange Pause machen, denn zum Mittag sind wir in Cyangugu verabredet.

Plötzlich geht es aber fast nur noch bergab, auf einer wunderbaren Straße. Die letzten Gegenanstiege meistere ich auch noch recht leicht, der Regen hört auf. So komme ich mit nicht all zu großer Verspätung nach 6 1/2 Stunden für hügelige bis bergige 145 km am Bischofshaus in Cyangugu/Ruzizi an. Meine KollegInnen sowie Bischof Bimenyimana sind bereits im diözesanen Pastoralzentrum (mit Gästehaus). Der freundliche Kanzler des Bistums bringt mich auch dorthin. Nach einem guten Mittagessen fahren wir direkt weiter Richtung Burundi, nach Rosayo, zu einem Kinder- und Waisenheim. Das Haus ist nur über eine nur sehr schlecht zu fahrende Piste zu erreichen, es liegt in einem Talkessel. Hier leben aktuell 195 Kinder im Alter von 2 – 17 Jahren. Viele sind Waisen, andere Straßenkinder. Das Haus wirkt streckenweise ziemlich dunkel. Die Verständigung mit den zwölf einheimischen Schwestern ist sprachlich anstregend. Es scheint uns nicht einfach, Jugendliche aus Deutschland zu einem sozialen Dienst hierher zu senden. Auch wenn ein Dienst für diese Kinder sicher sehr sinnvoll wäre.