Am Morgen besuchen wir die in BiH sehr stark verbreiteten Franziskaner. Sie waren während der osmanischen Herrschaft der Träger von Kath. Kirche im Land. Bis heute gibt es noch Parallelstrukturen zu der diözesan verfassten Kirche, die Franziskaner leiten rund die Hälfte aller Gemeinden im Land. Sie haben auch ein großes sozial-karitatives Netz aufgebaut, von Suppenküchen über Trauma-Zentrum bis hin zur Arbeit mit Suchtkranken – www.vision-teilen.org/unsere-arbeit/dap/bosnienhilfe/projekte/antoniusbrot.html
Wir sehen die ersten Menschen, die zur heutigen Ausgabe des Mittagessens bereits gekommen sind.
Im Anschluss treffen wir den Leiter und eine Mitarbeiterin des Vereins „Narkone“ („Drogen nein“!). Der Verein wurde vor 13 Jahren von einer Schweizer Franziskanerin gegründet und versucht inzwischen auf sehr vielfältige Weise jungen Menschen einen positiven Ansatz von einem gesunden, einem guten Leben zu vermitteln. Besonders erfolgreich ist dabei das Projekt „ältere Schwester“, „älterer Bruder“: extra ausgebildete Studierende begleiten über eine längere Zeit vom Sozialamt vermittelte Kinder und Jugendliche im Alter von 7 – 14 Jahren – ehrenamtlich, mindestens 20 Stunden/Monat. Die Kinder/Jugendliche lernen dadurch viele einfache, aber für sie selbst existentiell wichtige Dinge. Aber auch die Studierenden profitieren meist sehr von ihrem Einsatz, weil sie sich dadurch viele „soft skills“ angeeignet haben – und nicht zuletzt dadurch einen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt haben – www.narkone.org/de/
Am Nachmittag sind wir im „Interreligiösen Rat“, der im Jahr nach der Beendingung des Bosnienkriegs seine Arbeit aufgenommen hat. Die Arbeit sei zu Beginn extrem schwer gewesen, denn die Menschen im Land hätten durch den Krieg gegenseitig das Vertrauen in die Menschen an sich verloren. Die Einrichtung ist ein Dienst für alle Religionsgemeinschaften. Die vier Mitarbeitenden gehören je einer Religion an: Judentum, Islam, Orthodoxie und Katholizismus. Seit 2005 arbeiten sie als unabhängige NGO. Ihre ersten Ansprechpersonen sind die leitenden Angestellten dieser vier Religionsgemeinschaften. Von diesen erfahren sie inzwischen eine große ideelle Unterstützung. Ihre alltägliche Arbeit besteht darin, an der Basis Dialog zwischen den VertreterInnen der einzelnen Religionsgemeinschaften zu fördern. Dies ist nicht immer einfach. Sie bilden auch MultiplikatorInnen aus, die dann in ihrer Region Workshops übernehmen können. Ein spezielles Programm gibt es für SchülerInnen, Klassen besuchen gemeinsam Synagoge, Moschee und Kirche und erfahren diese mit möglichst vielen Sinnen.
Die Mitarbeitenden im Intrereligiösen Rat stoßen aber auch immer wieder auf Grenzen und Mauern: der Nationalismus ist groß, die eigene Ethnie und ihr Leid steht im Vordergrund. Es fällt fast allen sehr schwer, sich in die Situation der anderen Ethnien und Religionsangehörigen hinein zu versetzen.
Wie schon mehrfach in diesen Tagen hören wir, dass die Konflikte im Land sehr schnell wieder eskalieren könnten und man froh sein könne, dass aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage nicht genug Geld für Waffen da ist/sei…
Ich jogge zum Jugendzentrum und hole mein Rad ab. Leider ist der Mitarbeiter nicht mehr anzutreffen, so kann ich ihm nicht einmal das Geld geben (will die kommenden Tage Wege finden, dass er sein Geld noch erhält). Der Höhenschlag ist weg. Allerdings wurde auch der Reifen ausgetauscht. Ich kann mir nicht erklären warum und nehme ihn deshalb auch als Ersatzreifen mit.
In unserem abendlichen Tagesrückblick wird deutlich, dass wir alle mit der schweren Situation der Menschen hier im Land innerlich zu kämpfen haben. Aber indem wir das voreinander austauschen, wird das schon etwas einfacher zu tragen. Zudem ergänzen sich unsere Aspekte, so dass unser Bild von unseren Erfahrungen hier noch etwas kompletter wird.