05. März

Am Morgen möchte ich ein paar Fotos von den schönen Gebäuden im Ort machen. Aber in keinem Land war es so schwer wie hier, interessante Aufnahmen zu machen. überall und dementsprechend auch vor reizvollen Gebilden stehen direkt davor schamlos eine (Un-)Menge Autos und Laster. Aber das, was ich für ein bemerkenswertes Denkmal halte (von einer Villa aus der Gründerzeit bis zu einer neoklassizistischen Bank) werden hier wohl gar nicht als ein ebensolches angesehen. über die Grenze nach Alabama. Auch in den letzten beiden Tagen hatte ich schon Gegenwind, aber heute ist er deutlich kräftiger. Weiterhin kein Seitenstreifen öder höchstens nur ein solcher, demgegenüber die »Straßen« in Tibet einem Prachtboulevard entsprechen würden. Aber hohes Verkehrsaufkommen. Ständig den Kopf rumdrehen, Verkehr beobachten. Wenn dann noch einer deppert hupt und mich mit erhobenem Zeigefinger auf den gerade beschriebenen Seitenstreifen schulmeisterlich verweisen will, dann, ja dann kann es passieren, dass er im Rückspiegel einen Pfälzer Radler fluchen sieht. Wenn ich mal wieder einen Radtrip mache, dann nicht mehr in so besiedelten und v. a. nicht mehr in so motorisierten Gegenden. Denn da bist du nämlich nur der Arsch. Die magische 20 000 km-Marke fällt. Schön, so kann meine Tour wirklich als Weltumradelung eingestuft werden. Dazu muss ich nun nur noch nach Hause kommen. In Tuscaloosa ab in die Bücherei, Emails lesen. Anschließend frage ich am Info-Schalter, wie ich am besten aus der Stadt Richtung Osten rauskomme. Nach längerem überlegen ein paar Ratschläge, aber wirklich weiterhelfen tun diese nicht. Andere Leute haben meine Frage anscheinend mitbekommen, immer mehr Personen beteiligen sich an dieser anscheinend gar nicht so leicht zu beantwortenden Frage. Wild wird durcheinander geredet, ich amüsiere mich nur noch dabei. Da kommen auch noch Shirley und Frederic, ein älteres Ehepaar, zu mir. Sie scheinen den durchblick zu haben. Sie bieten mir an, mich mit ihrem Auto durch die Stadt zu lotsen. Das tun sie dann auch, mitten im freitäglichen Feierabendverkehr. Dann erklären sie mir, dass es erst in 90 km wieder Motels gäbe. So weit komme ich heute aber nicht mehr, also muss ich hier bleiben. Wir plaudern ein wenig, plötzlich fragt mich Frederic schüchtern, ob er mir das Motel für diese Nacht bezahlen dürfe. Nach nur kurzem Zögern sage ich zu. Es scheint ihn zu freuen. Mich freut es auch. Zum einen aus materiellem Gesichtspunkt (viel habe ich wahrlich nicht mehr), noch viel mehr aber vom menschlichen Aspekt her. So nett und hilfsbereit sind die Leute hier. Noch in keinem westlichen Land der Erde habe ich das so erlebt. Fast beginne ich, mich über meine ehemaligen Vorurteile diesem Land gegenüber zu schämen. Nun also wieder eine nette Begegnung. Und NIE in den USA kam die Initiative von mir, immer wurde mir Hilfe und Freundlichkeit entgegengebracht, ohne dass ich etwas dafür geleistet hatte. Gemütlicher Abend im Motel. Heute nur zehn TV-Kanäle. Bei den Talkshows (»Jerry Springer«) geht es heftig zu. Zwei Frauen, ehemals auch noch die besten Freundinnen, schreien sich zunächst an, gehen dann aufeinander los, um sich schließlich die Kleider vom Leib zu reißen. Alles nur wegen einem Mann. Das Publikum steht auf und feuert eine der beiden Frauen an, der Moderator schaut zu, ohne auch nur eine Regung von sich zu geben. Comedy und Basketball gefallen mir da doch besser.