Kühl bis kalt, Gegenwind, hügelig. »Letzte« Etappen sind oft die schwersten. Nicht mehr der Weg ist das Ziel, sondern nur noch der Abschluss eines bestimmten Abschnitts. Atlanta erreichen und DANN drei Tage so richtig gut gehen lassen. Grenze nach Georgia. Mal wieder die Uhr um eine Stunde vorstellen, so bin ich nun nur noch sechs Stunden hinter der MEZ. Der Verkehr hält sich in Grenzen, wird erst in Nähe DER Südstaatenmetropole dicht. Aber wer ohne (Vor-)Ahnung durch L.A. geradelt ist, den lässt das hier kalt. Zudem werde ich am Stadtrand ja von Harald abgeholt. Er hatte meine Tour über Internet verfolgt und arbeitet nun seit Oktober in Atlanta. Vor einigen Tagen hat er dann seine Einladung, dass ich bis zu meinem Flug nach Europa in drei Tagen bei ihm wohnen könne, erneuert, was ich mit Freuden auf- und angenommen habe. So geht es also mit dem Auto in den Nordosten der 3-Millionen-Einwohnerstadt. Begrüßungsbier und anschließend zum reichhaltigen und vielfältigen »All you can eat“-Büffet. Harald erzählt mir von seinen Reisen durch Indien, Pakistan und den Iran. Besonders interessant finde ich aber seine Schilderungen über einen Besuch in der Ukraine. Trotz niederschmetterndem und sehr nachdenklich stimmendem wirtschaftlichem Verfall hat er auch dort tolle Gastfreundschaft erlebt. Natürlich mit Wodka, wie sich das für Osteuropa gehört (wer erinnert sich nicht mehr an Debno?). Wieder zu Hause bei Harald, kann ich noch seinen PC nutzen. Irgendwie bin ich richtig aufgewühlt, kann nicht schlafen. Mit der heutigen Ankunft ist nun scheinbar auch der letzte große Brocken meiner Weltumradelung geschafft und meine Reise geht klar dem Ende entgegen. Unwiderruflich. Immer mehr Bekannte und Freunde warnen mich vor der »sicher nicht leichten Rückkehr«. Ich hätte mich sicher sehr verändert, mir würde es bestimmt nicht leicht fallen, mich wieder in den normalen (genormten) Alltag einzufinden. Bisher hatte ich mir darüber noch nicht viele Gedanken gemacht, die Reise hatte mich noch ganz im Griff. Zudem kommt es mir selbst so vor, dass meine Erinnerungen an Mitteleuropa recht verschwommen zu sein scheinen. Zwar ist es erst gut elf Monate her, dass ich diese Region verlassen habe, aber diese Zeit war mit so vielen neuen Eindrücken ausgefüllt, dass das davor Geschehene weit weg ist. Darum wird mir nach all den Vorwarnungen zu meinem baldigen Alltag etwas mulmig.