Heute steht »nur« die Besichtigung von Shegar auf dem Programm. Da Shegar 7 km abseits der Hauptstraße liegt, beschließen wir, die Räder im Hotel zu lassen und einen Truck zu stoppen, der uns nach Shegar bringen soll. Dies klappt auch ganz gut, wir sitzen ganz hinten auf der mit Sand aufgefüllten Ladefläche. Es hoppelt zwar ganz schön, aber 7 km gehen doch noch recht schnell vorbei. In allen Städten Tibets gibt es einen (traditionellen) tibetischen und einen neuen chinesischen Teil. Hier in Shegar ist die Trennung aber besonders auffallend. Der tibetische Teil ist für mich der Schönste, den ich bisher gesehen habe: Die typischen weißen Häuser mit den traditionellen tibetischen Farben und vor allem diese engen sowie verwinkelten malerischen Gassen haben mir es angetan. Demgegenüber besteht der chinesische Teil aus den für kommunistische Länder typischen Blockbauten. Eine Verschandelung der tibetischen Kultur. Wir besuchen das bereits 725 Jahre alte Kloster »Shegar Chode«, das 1965 dem Erdboden gleichgemacht und 1985 wiederaufgebaut wurde. Ich bin extrem müde, aber Martin und Fernando unterhalten sich angeregt mit einigen erfrischend lustigen Mönchen, die uns zuvor durch das Kloster geführt hatten. Dies war nur möglich, da sich scheinbar nicht viele Touristen hierher verirren. Aber gerade deshalb herrscht hier eine viel intensivere, ursprünglichere, nicht so verbrauchte oder gar vergiftete und bei weitem interessantere Atmosphäre. Danach besuchen wir die Shegar beherrschende Festung, die etwas Majestätisches hat, obwohl sie nur noch aus Ruinen besteht. Von hier hat man auch einen ausgezeichneten Blick über die Stadt und das sie umgebende Tal. Anschließend gehen wir zum höchstgelegenen Postamt Chinas: Martin und ich wollen zu Hause anrufen. Dafür stehen wir eineinhalb Stunden in einer Schlange an. Martin teilt seinen Eltern mit, dass sie seinen Flug um eine Woche verschieben sollen, da er sich nun endgültig entschieden hat, nicht nur zum Everest-Base-Camp, sondern bis zum Camp III aufzusteigen. Ich erreiche leider weder meine Eltern, noch meine Schwester. Hätte ich doch so gerne selbst mitgeteilt, dass ich nun zum Everest gehe. Danach speisen wir zu Abend (was wohl?) und besprechen dabei unsere Expedition zum Everest. Für bestimmte Situationen legen wir entsprechende Verhaltensweisen fest. Nun müssen wir nur noch einkaufen. Und zwar müssen wir damit rechnen, dass wir uns nun tatsächlich eine komplette Woche selbst versorgen müssen. Alle Verkäufer wittern beim Anblick von uns Touris das Geschäft des Tages und verlangen unverschämte Preise. Mal wieder ist Handeln angesagt. Letztlich kaufe ich 20 Packungen Instant-Nudeln und 55 Schokoriegel (oder zumindest eine Art Schokoriegel). Da das Einkaufen bzw. Handeln so lange gedauert hat, finden wir weder einen Truck, noch einen Landcruiser, der von Shegar Richtung »Friendship- Highway« zu unserem Hotel fährt. So bleibt uns nur, diese Strecke zu Fuß zurückzulegen. Aber das ist sogar ganz interessant: Zum Einen erzählt uns Fernando von seinen Erlebnissen sowie auch von den historischen Zusammenhängen in denen von ihm bereisten Ländern. Zum Anderen finden wir einen unglaublich klaren Himmel vor, der uns so viele Sterne wie noch nie erkennen lässt. Da wir erst kurz vor Mitternacht im Hotel zurück sind, habe ich auch meine zweite Chance vergeben, noch eine Dusche zu nehmen.