Liebe RadsportfreundInnen,
überraschend schnell bin ich heute in die Radsportsaison 2012 eingestiegen.
Das kam so: letzten Samstag erzählt mir jemand an der Kalmit, dass am Dienstag beim wichtigsten Eintagesradrennen in D im „Rahmenprogramm“ nicht nur ein Jedermannrennen stattfindet, sondern in dessen Verlauf sogar im Anstieg zum Feldberg zum ersten Mal der „Bergkönig“ gesucht wird. Das reizt mich! Ich schaue mir die Internetseite an und informiere mich am Vortag des Rennens, ob ich noch mitfahren könnte.
Bericht Jedermannrennen „Rund um den Finanzplatz Eschborn – Frankfurt“ (www.eschborn-frankfurt.de)
Streckenlänge: 103 km
Höhenmeter: ca. 900
Profil: Anfang und Ende flach, zwischendrin hügelig mit Gr. Feldberg als Höhepunkt
Wetter: erst bedeckt und kühl, später sonnig und warm
FinisherInnen am 103km-Rennen: 1612
Um 4:23 Uhr sitze ich bereits im Zug. War eine kurze Nacht, in der ich zudem noch mehrmals wegen starken Regens wach wurde. In einem Zugabteil spielen sich wahre Dramen ab bei Menschen, die die ganze Nacht durchgemacht hatten. In Heidelberg steigt noch ein Radfahrkollege (vom tour-Team), der zum gleichen Rennen fährt, zu. In Eschborn kann ich mich noch nachmelden, darf allerdings nicht mehr in den Startblöcken A oder B starten. Das Wetter ist noch sehr frisch und stark bewölkt. Bereite mich in aller Ruhe vor und stelle mich dann in Block C auf.
Um 9 Uhr Start. Ich muss erst noch eine Weile warten, bis ich in die Pedale treten kann, dann geht es endlich über die Startlinie. Vor mir erkenne ich auf der (breiten) Straße nur (viele hundert) radfahrende Menschen, hinter mir genauso. In solch riesigen Pulks zu fahren fällt mir nicht leicht. Immer fährt bei mir die Angst mit, dass da einer vor mir stürzt. Entsprechend halte ich immer viel Abstand zu meinen Vorderleuten. Ebenso fahre ich die Kurven langsamer. Toll ist aber auf jeden Fall, dass wir auf sehr breiten (Auto-)Straßen fahren können, ohne irgend einen Autoverkehr befürchten zu müssen. Bald kommen wir nach Frankfurt in die Innenstadt. Einige Orte kommen mir bekannt, ja fast vertraut vor: z.B. einige der großen Banken, ganz besonders die Europäische Zentralbank, vor der ich auch schon demonstriert habe. Nun aber bleibt keinerlei Zeit für Sightseeing, denn ich muss die ganze Zeit hoch konzentriert sein. Es ist ein ständiges überholt werden und überholen. Abbremsen und wieder antreten.
Es geht aus Frankfurt raus, mit ersten minimalen Anstiegen. Sofort entspannt sich die Situation für mich. Alle werden deutlich langsamer – und ich kann überholen. Ich habe das Gefühl, dass es gut bei mir läuft. Wir kommen nach Oberursel. Ich erinnere mich, wie ich 2006 von hier aus den Feldberglauf gewinnen konnte. Noch eine kurze Pinkelpause und kurz danach geht es nach gut einer Stunde Fahrzeit auf den ca. 12 km langen und etwa 550 Höhenmeter überwindenden Bergzeitfahrabschnitt „Hohemark“ – Feldberg). Jetzt gebe ich richtig Gas, fahre die ersten km sogar noch mit meinem großen Blatt (oft 50 – 20). Dann muss ich mehrfach zwischen großem und kleinen Blatt (34er) hin und herschalten. Ich fliege an unzähligen Radlern vorbei, bin quasi immer auf der (linken) Überholspur. Manche sind sehr erstaunt, wenn ich sie so flott überhole. Keiner kann mir folgen. Ich fahre nach meinem Gefühl. Immer flott, nie Vollgas. Ich erreiche die von so vielen „Rund um den Henninger-Turm“-Übertragungen berühmte Stelle „Sandplacken“, von hier sollen es noch rund 4km bis zum Gipfel sein. Nach wie vor läuft mein Motor rund. Nun wird es etwas steiler, aber kleiner als 34 – 18 brauche ich nie zu schalten. Ich ziehe mein Tempo durch und erreiche nach ca. 27 min. den höchsten Punkt, nur einige hundert Meter vom Feldberg entfernt. Ich bin gespannt, welchen Platz ich bei diesem Bergzeitfahren erreicht habe. Mein eigentliches Tagespensum habe ich geschafft, dennoch fahre ich gleich weiter, nun bergab Richtung Schmitten. Just genau vor einer Woche war ich schon einmal hier: bei drei Grad und Dauerregen. Ich war mit meinem Vater unterwegs aus der Pfalz zu einer Tagung in Münster und anschließend noch zum Kurzbesuch bei meiner Schwester in Oldenburg. Niemals hätte ich gedacht, dass ich so schnell schon wieder hier sein werde. Heute dazu noch bei deutlich besserem Wetter (gut 10 Grad mehr und trocken) und statt mit 18kg Trekking- mit weniger als halb so schwerem Rennrad. Dazu ohne Autoverkehr und ohne Gepäck.
Bergab werde ich nun gleich wieder von Vielen überholt, beim nächsten Anstieg sammle ich dann die gleichen Leute wieder ein. Im Taunus geht es dann genauso weiter. Viele bekannte Orte wie z.B. Mammolshain, Ruppertshein, Glashütten, aber auch Kelkheim und Hofheim passieren wir, viele Zuschauende feuern uns an. Ausgangs des Taunus formiert sich dann eine knapp 30 Mann starke Gruppe, mit der ich dann recht gut unterwegs bin. Vor dem Ziel halte ich mich aus allen Taktierereien und v.a. Sprints raus und rolle zufrieden über die Ziellinie.
Nach langem Warten erfahre ich, dass ich unter 1612 Gefinishten 95. mit gerade einmal 6 min. Rückstand auf den Sieger wurde. Besser als ich mir das jemals hätte träumen lassen. Kurz bevor ich wieder mit dem Zug heimfahren muss, wird der Bergkönig auf die Bühne gerufen: ein gewisser Christoph Fuhrbach vom Team Misereor aus Neustadt an der Weinstraße…
Dieser optimale Saisoneinstand lässt für die weiteren (reinen!) Bergaufrennen sehr hoffen. Mein nächster Start wird vermutlich dann schon eines der Highlights: am 3.6. hinauf zum Großglockner (wohl das bestbesetzte Amateurbergrennen in Europa).
Euch allen herzliche Grüße,
Christoph