DM Berg (Berchtesgaden – Ahornbüchsenkopf)

Liebe RadsportkollegInnen,

da ich unter anderem wegen bescheidener Wetterprognosen letzten Sonntag „Bormio – Stilfserjoch“ ausgelassen hatte, fuhr ich am Dienstag eine 130km-Runde mit dreieinhalbtausend Höhenmeter im Nordschwarzwald. Einen besonderen Test machte ich dabei am Zuflucht-Stoppomat. Nachdem ich dort mit 24:34 min. meine letztjährige Zeit deutlich verbessert hatte, war ich zuversichtlich, auch am Wochenede – auf einem vergleichbaren Profil – eine gute deutsche Meisterschaft fahren zu können. Von dieser deutschen Meisterschaft hatte ich erst vor knapp drei Wochen (nur zufällig) gelesen. Da es endlich mal eine deutsche Bergmeisterschaft an einem echten Berg sein sollte, wollte ich unbedingt hin – und verlegte extra ein paar Termine.

18.7.

Entspannt komme ich bereits am Nachmittag in Berchtesgaden an. Pedaliere direkt hinauf zu meiner Pension. Dort angekommen, schaue ich mir zum ersten Mal seit Jahren eine Tour de France-Etappe an. Anschließend fahre ich nach Berchtesgaden, hole meine Startnummer und begebe mich auf die morgige Rennstrecke. Die Strecke ist sehr unrythmisch, von flachen Passagen bis 24%-Steigungen gibt es alles. Eigentlich habe ich es lieber möglichst gleichmäßig, aber ich will es nun annehmen, wie es ist. Brauche für die 12km mit 1020 Hm knapp 45 min. – wie viel schneller kann ich morgen fahren?

Sehe einige andere Radfahrer, hauptsächlich in größeren Teams, z.B. „Thüringen“ oder „Rothaus“. Alle haben sie sogar ihren Materialwagen dabei.

Schon beim Aufwachen merke ich, dass ich heute angespannter als sonst bin.

Muss lange warten, bis ich mein Frühstück in der Pension bekomme. Die „Herbergseltern“ sind total erstaunt, dass ich weder Wurst noch Käse noch Butter oder Eier esse sowie keinen Orangensaft und auch keine Milch trinke.

Bin heute früh, daher habe ich noch Zeit auf dem Weg zum Start beim „Dokumentationszentrum Obersalzberg“ einen Stopp einzulegen. Der Obersalzberg war in der NS-Zeit so etwas wie die nach Berlin „zweite Machtzentrale“. Hitler und sein engster Führungszirkel planten von hier aus Vieles. Das Thema wird hier m.E. fundiert aufgegriffen.

Nachdem ich mich am Start in die „Starterliste“ eingetragen habe, fahre ich noch ein bisschen warm, zum Königssee, der schon jetzt am Morgen völlig überlaufen ist.

Das Wetter ist super: sehr sonnig und warm (am Start knapp 25 Grad).

Am Start treffe ich doch einige bekannte Gesichter, auch ein paar aus der Pfalz. Manche halten mich für den Favoriten bei den Senioren.

Um 10 Uhr erfolgt der Start der Senioren 2 – 4 in der Berchtesgadener Fußgängerzone. Eine halbe Stunde später starten die Junioren und noch eine halbe Stunde später die „Elite“-Fahrer sowie die U 23. Gerne wäre ich bei „Elite“ gestartet, da ich aber heute erst mein zweites offizielles Radrennen in meinem Leben in Deutschland fahre, habe ich natürlich nicht genug Punkte, bin also nicht qualifiziert. Daher muss ich bei den Senioren 2 (Jahrgänge 1975 – 1965) starten. Wir fahren noch rund 2km neutalisiert hinter dem Führungsfahrzeug hinterher. Dann erfolgt der „scharfe“ Start, das Rennen wird freigegeben. Sofort geht es in den ersten Steilabschnitt mit offiziell 24%. Wie immer geben Viele ordentlich Gas, so dass ich von Etlichen überholt werde und ungefähr auf Platz 20 zurück falle. Ich schalte auf 30-23 runter (habe extra – nachdem ich die Streckenbeschreibung gelesen hatte – mein „Zweitrad“ mit Dreifachübersetzung genommen). Schnell sammle ich die Meisten wieder ein, schon nach zweieinhalb Rennminuten übernehme ich sogar die Spitze des Feldes. Weil die Steigungswerte sich ständig ändern, muss ich häufig schalten. Leider lassen sich nicht alle Gänge butterweich schalten, von daher werde ich dabei immer etwas langsamer. Einer, der ständig an meinem Hinterrad hängt, beschwert sich bei mir. Ich sage ihm, dass er mich entweder überholen oder eben ein bisschen Abstand halten soll. Meine persönliche erste Zeitmessung (5 1/2 min. und damit fast 1 min. schneller als gestern Abend!) sagt mir, dass wir sehr schnell unterwegs sind, zu schnell?

Kurz darauf kommt die vielleicht steilste Passage, die auch wieder mit 24 % angegeben wird. Ich schalte diesmal gar auf 30 – 25 runter, fahre aber noch eine hohe Frequenz – was mich allerdings auch sehr anstrengt. Meine Oberschenkel „brennen“ dabei. Ich überlege, ob das nicht zu schnell ist, denn der Weg ist noch sehr weit. In diesem Moment geht ein Loch zu meinen Verfolgern auf. Also behalte ich mein Tempo bei, das Loch wird größer. In den folgenden flacheren Abschnitten nehme ich etwas Tempo raus. Dennoch kommen die Verfolger nicht näher. Nach 14:35 min. komme ich am Dokumentationszentrum Obersalzberg vorbei, schon 1 1/2 min schneller als gestern. Es folgt ein fast ganz flacher km, den ich auf dem großen Blatt bewältige und dennoch zum Erholen nutzen kann. Dann kommt die Mautstelle. Ab hier geht es nun geschätzte 3-4 km in etwa wie an der Kalmit bergauf. Ab und an schaue ich mich um, um zu sehen, wie weit meine Verfolger hinter mir sind. Meist sehe ich dabei allerdings nur das Führungsfahrzeug, das meist nur wenige Meter hinter mir fährt und mir dadurch die Sicht versperrt. Mir scheint aber, dass ich einen spürbaren, aber vielleicht noch keinen entscheidenden Vorsprung habe (vielleicht 100 oder 150 m?). Also will ich nicht überdrehen, zumal ich weiß, dass es weiter oben noch einmal rund 3 km deutlich steiler wird. Nun beginnen diese rund 3km auf etwa 1200 m Seehöhe. Ich versuche weiterhin eine hohe Frequenz zu fahren, ohne mich zu überlasten. Das Führungsauto kommt plötzlich an mich rangefahren. Der Beifahrer ruft mir zu „Obacht: Du bist 30 sec. voraus“. Warum „obacht“? Kommen sie näher und sind jetzt nur noch 30 sec. zurück?

Bei dem Schild „1300m“ liege ich gut zwei min. besser als gestern. Ich kann meinen Rythmus beibehalten. Kurz hinter „1400m“ habe ich das Gefühl, dass ich den Vorsprung nicht mehr hergeben werde. Zuletzt habe ich nur noch einen Verfolger erkannt. Kurz hinter „1500m“ flacht die Steigung deutlich ab, bald wird es sogar ganz flach. Ich lege den großen Gang ein und genieße meine Triumphfahrt. Schon vor der Zieleinfahrt höre ich die Ansage, dass hier der neue deutsche Meister Christoph Fuhrbach vom RSC Neustadt aus der Pfalz komme. Meine 42:12 min. scheinen nicht schlecht. 26 sec. nach mir kommt der Zweite, der Einheimische Thomas Brengartner. Der hätte sicher gerade hier und heute sein Heimrennen gerne gewonnen. Dann Friedrich Hofmann ganz knapp vor dem Hessen Cosmas Lang, mit dem ich mich schon vor dem Start unterhalten hatte. Dann ein ziemliches Loch. Der Karlsruher Erwin Hickl wird Sechster und gewinnt damit souverän die „Masters 3“.

Zu mir kommt ein freundlicher älterer Herr, der mir mitteilt, dass ich zur Dopingkontrolle gehen soll. Da muss ich viel trinken, womit ich direkt beginne. Viele Leute gratulieren mir, Kinder wollen Autogramme (auf ihr Radtrikot). Die Meisten, die ich vor dem Rennen getroffen habe, sind leider enttäuscht von ihrem Rennen. Was sie aber nicht abhält, mir z.T. ganz euphorisch zu gratulieren. Schon ist die Siegerehrung: ich bekomme Etliches umgehängt, u.a. Medaille und etwas, das für mich als Theologe wie eine Stola aussieht (alles in schwarz-rot-gold), auch ein deutsches Meistertrikot. Blumen, Pokal und Bier und auch ein kleines Preisgeld gibt es zusätzlich. Blitzlichtgewitter. Dann wird sogar die Nationalhymne gespielt.

„Mein“ Kontrolleur wird unruhig, wir fahren zur Hütte, in der die Dopingkontrolle abgenommen wird. Etliche Gespräche mit den Anderen, die auch möglichst viel trinken, damit sie nach diesem Hitzerennen Wasser lassen können. Innerhalb von eineinhalb Stunden trinke ich rund 3,5 l. Dann bin ich mit der Dopingkontrolle dran. Alles wird sehr ernst gehandhabt. Der Kontrolleurin feht meine Lizenz, die ist aber über 700 Höhenmeter tiefer (in meinem Rucksack, den ich heute morgen im Gebüsch versteckt habe). Sie müsse die Lizenz bekommen. Also hole ich sie, obwohl ich inzwischen kurz vor einem Hungerast stehe – habe seit 5 Stunden Nichts mehr gegessen – und das Frühstück war schon kärglich. Cosmas Lang teilt seinen letzten Proviant mit mir, wir vereinbaren, dass wir uns mal in der Pfalz treffen. An meinem Rucksack finde ich dann noch mehr zu essen, dann radle ich von Unterau auf der anderen Seite die Rossfeldstraße hinauf – wunderbar gleichmäßige Steigung. Zeige oben der Kontrolleurin meine Lizenz. Sie ist zufrieden und ich kann mich dann auf den Weg nach Hause machen. Fahre via Hallein und Salzburg (mitten durch die Festspielstadt) nach Freilassing, wo ich meinen Zug noch rechtzeitig erreiche.
Zuhause abgekommen sehe ich mir die Ergebnisse an. Selbst im „Eliterennen“ waren nur Drei schneller. Ich bin also offenbar ein gutes Rennen gefahren – und damit sehr zufrieden – obwohl ich mir das rennen sicher noch besser hätte einteilen können.

Mehr Infos zum Rennen unter www.rsv-freilassing.de.

Kommendes Wochenende wollen Stefan Ischner und ich bei www.granfondosangottardo.com bei starten.

Herzliche Grüße,

Christoph