Äußere Daten:
- Juni
- StarterInnen: 2800 (2390 Finisher über die Classic-Strecke)
- Strecke: 27,7 km mit 1671 Höhenmetern; ersten 8 – 9km (bis kurz hinter Fusch) fast totel eben; nächsten 5 – 6km mit variabler Steigung (mal moderat, mal steil); ab km 14,5, sehr konstant, meist zwischen 9 – 11 % (fahre meist 34-25)
- Mein Ziel: um 1:20 h und unter Top 10
- Bedingungen: da Start schon um 7 Uhr kühl: ca. 12 Grad, im Zielbereich ca. 5 Grad; auf den letzten 7 km deutlich spürbarer Wind, meist von vorne (aus SO); trocken, teilweise sonnig
Der „Glocknerkönig“ ist eines der – wenn nicht DAS Bergaufradrennen in den Alpen, ja in Europa (und darüber hinaus!?). Sowohl in der Breite (2800 TeilnehmerInnen) als auch in der Leistungsspitze. Als sich dann im Laufe des Mai abzeichnete, dass ich trotz eines für meine Verhältnisse sehr bescheidenen Wintertrainings noch gut in Form gekommen bin (16:27 min. an der Kalmit), war für mich klar, dass ich auch beim Glocknerkönig 2012 trotz der langen Anreise wieder starten will. 2011 wurde ich wegen Eisenmangels mit einer hohen 1:25 h Zeit nur 26. und verlor auf den überragenden Sieger Felix Spensberger fast 10 min. Jetzt war ich froh, in besserer Form antreten zu können.
Nach einer entspannten Anreise im Zug am Freitag Nachmittag/Abend (konnte mal in Ruhe einige Hintergründe über die vom 20.-22.6. anstehende „Rio + 20“-Konferenz lesen) fuhr ich am Samstag Mittag die Rennstrecke noch einmal zum Test: mir ging es blendend. Ich fuhr flott, aber nie am Limit. Bei besten Wetterbedingungen (mild und windstill) fuhr ich zu meiner eigenen Überraschung über eine min. flotter als im Rennen im letzten Jahr – obwohl ich v.a. im untern flachen Abschnitt keinerlei Tempo gemacht hatte. Beste Voraussetzungen für morgen. Wird mir vielleicht sogar ein richtiger Coup gelingen und ich kann unter die ersten Fünf fahren?
Sonntag morgen: inzwischen darf ich sogar im VIP-Block starten – also ganz vorne. Hat den Vorteil, dass ich erst drei Minuten vor dem Start an die Startlinie rolle. Neben mir Hans-Peter Obwaller, ein ehemaliger Profi und nach wie vor einer der Besten in der Szene. Er grüßt mich freundlich und erinnert sich daran, wie ich vor zwei Jahren auf der Schlussetappe der Transalp mit ihm und Philipp Götsch zum Bondone hoch gefahren bin.
7 Uhr: Start. Recht entspannt durch Bruck (757 m), das Tempo ist niedrig. So fahre ich immer unter den ersten 30, manchmal auch fast ganz vorne. Meist halte ich mich etwas außerhalb der Windschattenlinie, was aber bei dem Tempo kein Problem ist. Alle lauern aufeinander, niemand will heute vor dem großen Berg schon Tempo machen. Dann beginnt nach ca. 9km die Steigung richtig. Sofort greift Felix Spensberger an. Viele folgen ihm. Mir ist das zu schnell, falle auf ca. Platz 35 zurück. Ich suche meinen Rhythmus, sehe, wie die Spitzengruppe mir schnell weit enteilt ist. Ich versuche cool zu bleiben. Langsam überhole ich wieder Einige. Ich sehe, wie die Spitzengruppe sich teilt: eine kleine Gruppe (drei, vier oder Leute?) fahren nun vorneweg, danach kommt eine gut 15köpfige Verfolgergruppe. Diese Gruppe kommt erstmal nicht mehr weiter von mir weg, an der Mautstelle in Ferleiten (1145 m) habe ich sie fast eingeholt. Ich bin fast eine halbe min. langsamer als im letzten Jahr, aber immerhin fast zwei min. schneller als gestern. Von daher bin ich noch fast in meinem Zeitlimit. Ich liege auf Platz 21 – und das Rennen geht jetzt erst richtig los.
Die Spitzengruppe ist mir bereits komplett enteilt, ich sehe sie nicht mehr. Die Verfolgergruppe fällt langsam außeinander. Einem nach dem Anderen kann ich langsam einsammeln. Ich fahre nun – außer in den deutlich flacheren Kehren – nur noch auf meiner lockersten Übersetzung (34 – 25). Es ist richtig steil. Bis kurz vor der Verpflegungsstelle bei km 17 (Piffkar; 1620 m). Inzwischen habe ich mich wohl auf Platz 8 vorgearbeitet. Meine Zeit (47 ½ min.) ist rund eineinhalb min. schneller als 2011, aber ich liege auch hinter meinem Zeitplan für heute. Entsprechende fehlt mir ein bisschen Lockerheit. Ganz leichte Enttäuschung (durch eventuell zu hohe eigene Erwartung?) nehme ich wahr. Da muss ich gegensteuern, damit das nicht überhand nimmt. Ich versuche mich ganz auf das Rennen zu konzentrieren. Noch ganz in Sichtweise sind drei Fahrer, Hans-Peter Obwaller, ein mir unbekannter Kollege (Miran Cvet aus Slowenien?) und der Bayer Wolfgang Hofmann. Alles „alte Haudegen“ mit schon fast unzähligen Erfolgen, alle auch meine Altersklasse. Meine Stimmung bessert sich, mein Tritt fühlt sich runder an, ich nähere mich Wolfgang Hofmann. Allerdings kommt – fast an der gleichen Stelle wie im letzten Jahr (gut 7km vor dem Ziel beim Verlassen der Baumgrenze) ein ziemlich starker Wind aus Südosten auf, der bei unserer Hauptfahrtrichtung Gegenwind bedeutet. M.E. etwas schwächer als im letzten Jahr, aber doch gerade bei den Böen klar bremsend. Fahren wir allerdings nach einer Richtungsänderung in die andere Richtung, ist der Wind eine tolle Unterstützung.
Plötzlich – noch über 6km bis zum Ziel – wird all meine Aufmerksamkeit auf meinen linken Fuß (im Spannbereich) gezogen. Ich merke, wie er sich kalt anfühlt und in wenigen Sekunden total verkrampfen kann. Kann mit dem linken Fuß keinen großen Druck mehr auf die Pedale ausüben. Automatisch versuche ich die Zehen zu bewegen, anzuziehen und wieder auszustrecken. Das hilft ein wenig. Ich darf mit diesen Übungen aber nicht nachlassen, sonst meldet sich der Krampft sofort wieder. Zudem variiere ich die Fußstellung auf dem Pedal zwischen Vorder- und Mittelfuß und sogar der Ferse. Wie gut, dass ich jetzt keine Clickpedale fahre. Wolfgang Hofmann ist in der Zwischenzeit wieder weiter weg gekommen von mir. Zum einen bin ich froh, dass ich den Krampf wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu haben scheine, zum anderen bin ich für eine aktivere Fahrweise lahm gelegt. Denn kaum gebe ich mal wieder mehr Druck mit dem linken Fuß auf die Pedale, spüre ich sofort und unmissverständlich Krampfansätze. Mist! Zu allem Überfluss kommt nun noch eine Dreiergruppe von hinten. Vorteil ist, dass ich bei dem ersten mich überholenden Fahrer immerhin mal in den Windschatten begeben kann. Wir werden zu einer Dreiergruppe. Auf dem letzten km fahren mir beide weg, ich bin nur noch Zehnter. Als solcher komme ich dann auch ins Ziel. Meine Zeit von 1:22:27 h ist 3:21 min. schneller als im letzten Jahr (von der Mautstelle aus 3:47 min.), aber auch nicht das, was ich mir eigentlich zugetraut hatte (ca. 1:20 h).
Als ich im Ziel die Ergebnisliste sehe, hadere ich noch mehr mit dem Verlauf des Rennens: bin undankbarer Vierter in der bärenstarken AK 40. Sieger ist in 1:17:08 der Vorarlberger Klaus Steinkeller, mit deutlichem Vorsprung auf die beiden jungen Deutschen Felix Spensberger und Johannes Berndl. Starker Vierter wird der Frankfurter Frederik Nagel, den ich vor vier Wochen beim „Bergkönig“ am Großen Feldberg im Taunus noch hinter mir lassen konnte.
Im Laufe der Heimfahrt, bei der ich interessante Schweizer und etliche andere Reisende in zum Teil übervollen Zügen treffe und mit Hingabe bereits zum zweiten Mal das Büchlein „Postwachstum – Krise, ökologische Grenzen und soziale Rechte“ (ISBN: 978-3-89965-429-5) lese, überkommt mich dann aber doch noch ein Gefühl von zumindest „halber Zufriedenheit“: Platz 10 bei diesem Rennen in 1:22 h ist noch o.k. Die Radsaison geht noch lange und vermutlich wird dies auch doch noch nicht mein letzter „Glocknerkönig“ gewesen sein.
Ergebnisse und weitere Infos zum Rennen: www.glocknerkoenig.com
Mein nächstes Rennen wird vermutlich am 16.6. in Karlsruhe das Turmbergrennen (www.turmbergrennen.de) sein.