Prad – Stilfserjoch 2013

Liebe RadsportkollegInnen,

hier mein Bericht vom gestrigen Bergrennen hinauf zum Stilfserjoch, einem der Kultberge der Alpen:

Die Strecke mit ihren 24,7km und 1840 Höhenmeter über u.a. 48 Kehren gehört zum herausfordernsten und reizvollsten für Bergrennfahrende in den Alpen. Vor zwei Jahren war ich hier schon einmal gefahren, damals allerdings zum Abschluss des Giro delle Dolomiti, dadurch mit schweren Beinen. Die 1:20:26 h möchte ich daher auf alle Fälle unterbieten. Am Dienstag im Training fuhr ich schon – recht locker – gut 1:21 h.

Die Witterungsbedingungen sind gut: sonnig und mild (am Start ca. 20 Grad), dazu nur ein leichter Wind.

Bei der Anmeldung gibt es kleine Probleme, weil ich meine Lizenz in der Ferienwohnung habe liegen lassen. Darf dann aber mit der Auflage, die Lizenz nachzureichen, doch mitfahren.

Das Rennen wird von einem rührigen Verein, dem ARSV Vinschgau ausgerichtet. Die Startgebühr ist mit 10 € sehr niedrig. Vielleicht macht der Verein zu wenig Werbung in der Breite, so dass immer nur die Insider zu diesem Rennen kommen. Dabei würde diese spektakuläre Strecke sich auch für eine größere Veranstaltung bestens eignen. So aber starten in diesem Jahr nur 60 Teilnehmende. Die ersten beiden km werden neutralisiert durch den Ort Prad gefahren. Vor dem „Hotel Prad“ (907 m) wird dann gestoppt und nach einer kurzen Pause dann offiziell gestartet. Die ersten beiden km wird ein ordentliches Tempo gefahren, dann wird es mir zu langsam und ich übernehme die Spitze des Feldes. An meinem Hinterrad ist meist Hans-Peter Obwaller, langjähriger Radprofi und heutiger Teamchef des Flachau-KTM-Racingteams. Dazu zu Beginn mindestens 20 weitere Fahrer.

An meiner ersten Zeitnahme „Stilfserbrücke“ (nach ca. 3,5 km) sind wir bereits nach 8 min. (45 sec. schneller als ich am Dienstag). Die Straße wird steiler, wir erreichen Gormagoi (1267 m). Am Abzweig nach Sulden, wo aktuell Angela Merkel gerade urlaubt und sich eines der 5 spannenden Museen von Reinhold Messner befindet, sind wir mit 15:05 min. weiterhin schnell unterwegs. Hinter Gomagoi wird es noch einmal deutlich flacher, noch immer habe ich rund 15 Fahrer im Schlepptau. Als die Straße wieder verstärkt ansteigt, erhöhe ich das Tempo leicht. Bald bin ich mir nicht sicher, ob das vielleicht nicht zu viel Einsatz ist, so nehme ich wieder etwas Druck heraus. Wir erreichen nach bereits 10,5km Trafoi auf 1533 m Höhe. Wir sind erst 26:42 min. seit dem Start unterwegs, das deutet auf eine sehr gute Zeit hin (bereits 1:38 min. schneller als am Dienstag). Bald hinter Trafoi kommt nun die erste der 48 Kehren auf dem Weg zur noch weit entfernten Passhöhe. Zum ersten Mal wird der Blick frei auf die grandiose Gletscherlandschaft, dafür habe ich aber nun keine Muße. Inzwischen haben die meisten Fahrer reißen lassen, nach wenigen Kehren habe ich nur noch drei Verfolger. Plötzlich schießt in einer Kehre Hans-Peter Obwaller an mir vorbei. Ich bin ein wenig irritiert, so plötzlich an der Spitze des Feldes abgelöst zu werden. In den folgenden Kehren immer das gleiche Spiel: Obwaller attackiert in den Kehren. Ich muss mich immer mächtig strecken, um kein großes Loch entstehen zu lassen. Danach nimmt Obwaller immer wieder Tempo raus. Dieses etwas unrythmische Fahren ist ungewohnt für mich und geht auch an die Substanz. Aber da es mich auch schlaucht, bin ich kaum mehr in der Lage,  die Führung zu übernehmen. Meist ist nun Obwaller an der Spitze, ab und an nun auch ein Fahrer vom ARSV Vinschgau, vermutlich der Bergfuchs Oswald Weisenhorn. Wer der vierte Fahrer in unserer Gruppe ist, weiß ich nicht. Er übernimmt nie die Führung und scheint auch ziemlich platt zu sein.

Das Gasthaus „Weißer Knott“ erreichen wir nach rund 40 min., knapp 3 min. schneller als ich am Dienstag unterwegs war. Die Steigungen liegen nun recht konstant um die 9%. Wir nähern uns dem Hotel Franzenshöhe, der spektakuläre Talschluss mit den unendlich erscheinenden Serpentinen in der hochalpinen kargen Bergwelt rückt in unser Blickfeld. Franzenshöhe auf 2188 m haben wir nach gut 53 1/2 min. erreicht. Damit sind wir 4 min. schneller als ich am Dienstag. Eine richtig gute Zeit ist zu erwarten, eine 1:16 h müsste möglich sein. Die Aussicht darauf beflügelt mich,. ich übernehme wieder das Tempo in unserer Gruppe, trete 34-21 recht rund. So geht das einige Kehren lang, bis Oswald Weisenhorn mit schwerem Tritt bei harter Übersetzung an mir vorbei geht. Ich bleibe an seinem Hinterrad, kann sogar wieder in Führung gehen. Den nächsten Antritt von Oswald 4km vor dem Ziel kann ich allerdings nicht mehr parieren. Er fährt uns ein Stück weg. Obwaller geht auf Verfolgung, dann auch noch der vierte Mann in unserem Bund. Nun fährt jeder von uns alleine, immer nur um ein paar sec. getrennt vom Vordermann. Ich werde langsamer, sehe die 1:16 h schwinden und bin leicht enttäuscht. Das Rennen ist nun hart. Komme an die Vorderen wohl nicht mehr ran. Der mir noch nicht bekannte Vierte unserer Gruppe geht an Obwaller vorbei und kämpft sich an Weißenhorn heran, den er ca. einen km vor dem Ziel überholt und damit zum ersten Mal in Führung geht. Kurzzeitig habe ich das Gefühl an Obwaller noch einmal rankommen zu können, aber ein Auto in einer Kehre zwingt mich zum Abbremsen. Ich fluche und spüre, dass ich Obwaller auf dem letzten km nicht mehr einholen werde. Will mir nun aber die 1:17 h sichern. Dies gelingt mit in 1:17:28 h auch gut. Bin zufrieden. Das ist eine Bestzeit auf das Stilfserjoch hinauf, die sich sehen lassen kann. Der Sieger war nur 29 sec. vor mir, es war der schon seit vielen Jahren sehr erfolgreiche Bergradrennfahrer Jarno Varesco vom Carrara-Team. Im letzten Jahr war er immer mit dem Trikot des italienischen Meisters unterwegs, daher habe ich ihn heute nicht erkannt. Weißenhorn wird mit 10 sec. Abstand Zweiter, Obwaller noch einmal 6 sec. dahinter Dritter. Hinter mir als Viertem klafft eine riesige Lücke von weit über 3 min., unter den Top-Ten landen noch drei weitere Deutsche: der Siegener Jens-Christian Brockmann als Siebter, der Bayer Stefan Oettl und der noch junge Karlsruher Daniel Debertin.

Im Ziel auf der touristisch überfüllten Passhöhe, die für mich so gar nicht zu der grandiosen Landschaft passt, noch ein paar nette Gespräche. Dann fahre ich schon wieder bergab. Denn unser Urlaub endet heute und ich habe das Vergnügen, mit unserem Sohn Simon dessen ersten Alpenpass (Ofen) zu fahren, um dann mit ganzer Familie am späten Nachmittag in Zernez in den Zug Richtung Heimat zu steigen.

Mehr Infos zum Rennen: www.arsv-vinschgau.it