Morgens früh raus, Ferienwohnung räumen.
in Ochagavia zweites Frühstück. Noch sehr kühl, auch um 9 Uhr zur Startzeit selbst im Tal nur 11 Grad. Ich begebe mich so spät als möglich zum Start, reihe mich dann ca. in der Mitte des Feldes ein. Start erfolgt mit 9 min. Verspätung. Warum verstehe ich nicht. Nach dem Start dauert es drei min., bis ich die Startlinie überqueren kann. Auch danach geht es noch nur sehr langsam voran (die ersten beiden km fahren Kinder voraus). Dann der erste Anstieg: so viele RadlerInnen vor mir, dass ich nur schwer überholen kann. Ich bleibe aber ganz entspannt, denn gewertet wird ja nur der achte und letzte Anstieg des Tages. Genau genommen handelt es sich bei den 96km davor um eine touristische Fahrt durch die reizvolle Landschaft „Iraty“, die der Veranstaltung auch den Namen gibt: „Iraty Xtrem“ mit 128km und 3618 Hm. Ich wurde vor zwei Jahren auf das Rennen aufmerksam, weil es zu einer losen internationalen Radmarathonserie gehört.
Ich bin über die vielen ZuschauerInnen in den Dörfern überrascht, es herrscht ein wenig „Tour-Atmosphäre“. Ich sehe einige Baskenfahnen. Mich würde interessieren, wie die Leute hier selbst ihr Verhältnis zu Spanien sehen. Aber da ich nicht einmal spanisch sprechen kann, kann ich solche tiefschürfenden Gespräche hier leider nicht führen. „Eta“ ist manchmal auf Mauern gesprüht, oft in Kombination mit anderen Worten, so dass ich auch die Zusammenhänge nicht erkennen kann. Die Ortsschilder sind zweisprachig, das ist auch auf der französischen Seite so. Die Namen vieler Teilnehmender kann ich auf deren Startnummern lesen, sie sind oft vier bis fünf Worte lang.
Die ersten drei „Berge“ sind leicht zu fahren, auch die Abfahrten. So langsam komme ich immer weiter nach vorne im Feld, wobei ich höchstens in meinem Trainingstempo fahre. Wir verlassen die Hauptstraße nach Pamplona und biegen auf eine kleine Straße Richtung Norden ab. Auf einmal höre ich um mich herum viele ehrfürchtige „El Muro“-Ausrufe: ein 300m langer, aus vielen Betonplatten bestehender, ganz schmaler und auch steiler Anstieg. Kann nicht überholen, weil der Anstieg so schmal. Bald danach erste Verpflegungsstelle: Orangen, Äpfel, Bananen, Schokoladenbrote, verschiedenste Getränke, Müsliriegel und geröstete sowie gesalzene Nüsse. Ich lasse mir Zeit, bevor ich mich auf den Weg zum Azpegi mache. Die letzten beiden km sind 9,5% steil. Eine wunderbare Landschaft mit teils schroffen Felsen und teils lieblich grünen Wiesen. Dazu Nebel und Sonne. Die Abfahrt auf sehr rauhem und regennassem Asphalt mit etlichen Schlaglöchern fordert mich. Dann der schwierigste Anstieg des Tages, zum „Errozate“: auf den ersten 6km 670 Hm, danach wechseln sich flache und sehr steile Abschnitte ab. Ich überhole wieder Viele. Die Abfahrt auf schlechter Straße macht mir aber trotz der weiterhin tollen Landschaft keine große Freude. Es ist zudem noch immer sehr frisch – trotz Mittagszeit hier oben wohl kaum über 10 Grad. Fahre meist mit Windjacke und Armlinge. An der nächsten Verpflegungsstelle werde ich offensichtlich wegen meiner Sandalen angesprochen. Ich bin froh, wahrheitsgemäß sagen zu können, dass ich kein Spanisch spreche und von daher keine Auskunft geben kann. Es folgt ein langes Auf und Ab, irgendwann haben wir die Grenze nach France überschritten, die Straßen werden größer und daher von der Asphaltqualität her auch besser. Bisher gab es nur ein wenig Nieselregen. Nun vor der Abfahrt nach Larrau sehe ich dunkelschwarze Wolken aufziehen. Kurz vor dem Zeitfahren geht es bereits 150 Hm bergauf: wunderbar, um wieder auf Touren zu kommen. Am Beginn des Zeitfahrberges merke ich, dass ich doch schon 96km mit 2662 Hm in den Beinen habe – und die Woche über im Blick auf das nun folgende Zeitfahren zu viele Berge und zu viele Hm gefahren bin. Aber das ist nun egal. Windjacke und Armlinge aus, kurz konzentrieren und durch schnaufen und schon starte ich über die Zeitfahrmatte. Zunächst nicht ganz so steil. Bin flott, überhole Viele, ja fliege an den Meisten gerade so vorbei. Erste steile Rampen, gehe aus dem Sattel. Versuche, meinen Rythmus hoch zu halten. Vom Gefühl her klappt das gut. Aber bin ich auch schnell? Die km-Zeiten variieren, die langsamsten km liegen bei 4:20min./km. Leider habe ich die Durchfahrtszeiten von vorgestern hier am Berg mir nicht richtig gemerkt, daher habe ich nun keinen guten Vergleich. Aus dem Wald heraus kommt mir der Wind von vorne entgegen. Nach 7,1km habe ich die ersten 720 Hm bis zum Col d`Erroymendi in ca. 29 1/2 min. geschafft, das scheint mir flott zu sein. Nun wechseln sich rund zweieinhalb km lang leicht Anstiege mit leichtem Gefälle ab. Ich fahre natürlich auf dem großen Kettenblatt, versuche meinen Oberkörper einigermaßen runter zu beugen. Dann beginnt das 2km lange Finale, nochmal um die 200 Hm. Ich ziehe durch und komme nach 41:06 min. ins Ziel. In der „ewigen Bestenliste“ sind bisher nur 6 Fahrer schneller gewesen. So werde ich auch heute vermutlich unter den ersten Drei plaziert sein. Esse und trinke noch ein bisschen was und begebe mich dann auf die Abfahrt, auf der mich auf den letzten 3km noch ein ganz heftiger Schauer erwischt, der dann noch einmal nachlässt und auf den letzten km vor Ochagavia noch einmal starkes Ausmaß annimmt. Völlig durchnässt und unterkühlt komme ich ins Ziel. Das Duschen habe ich mir gespart. Trockne mich nur ab und ziele trockene Klamotten an, dann geht es mir wieder gut.
Stundenlanges Warten folgt. Dann die Siegerehrung. Muss wegen erneut heftigem Gewitter in die Halle verlegt werden. Bin Zweiter im Gesamtklassement geworden. 918 wurden gewertet. Der Sieger (Raul Portillo Salmanando) ist sehr starke 38:27 min. gefahren, womit er schneller war als alle hier je gemessenen Profis. Ich wurde mit 41:06 min. Zweiter und Dritter der junge Kepa Ochoa Alberdi in 43:01 min.
Wir wollen noch bis zum Atlantik und fahren deshalb gleich los, noch lange im Regen. Gegen 23 Uhr erreichen wir den Atlantik.