Liebe RadsportkollegInnen, hier mein (verspäteter) Bericht vom diesjährigen Saisoneinstieg: Freitags (31.5.) Anreise in die Provence, samstags u.a. eine Testfahrt von Bedoin hinauf zum Mont Ventoux bei extrem windigen (80km/h) Bedingungen in 1:15:45 h. Mein Vater fährt mit seinen 71 Jahren auch noch ohne Pause hinauf zum Gipfel. Bei der Abfahrt müssen wir wegen dem Sturm zeitweise im Schritttempo fahren. Wettermäßig ist es immerhin trocken und am Nachmittag kommt sogar die Sonne raus. Am Sonntag morgen hat der Wind tatsächlich ein wenig nachgelassen. Strahlendblauer Himmel und zumindest am Startort in Bedoin auf 300 m Höhe einigermaßen mild (ca. 15 C°). Beim Nachmelden treffe ich den Elsässer Olivi Guth.
Um 9 Uhr dann der Start. Der Wind kommt gleich von vorne links. Keiner will Tempo machen. So setze ich mich direkt an die Spitze des Feldes. Und zu meiner riesigen Überraschung bin ich nach nur wenigen hundert Metern bereits allein auf weiter Flur. Kurz überlege ich, ob ich mich zurück fallen lassen soll. Aber ich bin hier gestartet, um eine brauchbare Zeit ins Ziel zu bringen (unter 70 min.). Und da gilt es nun das Tempo hoch zu halten, auch schon auf den flachen Anfangskilomtern, auf denen die Steigung meist nur 3 – max. 5% beträgt. Bald lässt der Wind stark nach, das macht mir die Sache deutlich einfacher. Nach gut 5km beginnt die Straße hinter „Les Bruns“ nun sehr ordentlich zu steigen (meist zwischen 9 – 11 % auf den nächsten 8km). Die Straße verläuft in diesem Abschnitt meist durch den (Eichen-)Wald, von daher ist der Wind nun noch schwächer. Bei 6 1/2km bin ich knapp 15 min unterwegs und damit exakt in meinem Zeitplan. Ich fahre meinen Rythmus und versuche eine hohe Trittfrequenz zu halten. Vor mir fährt mit einem beträchtlichen Abstand das Führungsfahrzeug, hinter mir ist kein Radler zu sehen. 10km vor dem Gipfel bin ich rund 20 sec. hinter meinem Zeitplan (33min). Das Rennen fällt mir zunehmend schwerer. Nur 1km später sehe ich, dass ein Radfahrer mich verfolgt. Er kommt näher und näher, knapp 8km vor dem Gipfel hat er mich eingeholt. Der Mann scheint – wie ich – auch schon älter und ist braun gebrannt (er war mir beim warmfahren schon aufgefallen; als ich zunächst nur seine Beine von hinten sah, dachte ich, dass er ein Afrikaner sei). Ich grüße ich mit „Salu“, er antwortet darauf nicht. Inzwischen ist der Wind wieder ziemlich aufgefrischt und kommt exakt von vorne. Wir kommen aus dem Wald heraus und der Wind wird immer stärker. Kurz übernimmt der Franzose die Tempoarbeit, dann gehe ich wieder an die Spitze, der Kollege bleibt in meinem Windschatten. Wir erreichen das Chalet Reynard auf 1434 m Höhe. Inzwischen bin ich eine min. hinter meiner erhofften Zwischenzeit zurück (49 min.). Die 70 min. werde ich heute nicht schaffen, ich bin ein wenig enttäuscht. Die Steigung nimmt ab, es bleiben noch 473 Höhenmeter auf 6,1 km. Etwas mehr als eine Kalmit… Aber der Wind ist wieder extrem: die Straße ist recht kurvig. Wenn es eher Richtung Nordwest geht, schiebt mich der Wind so stark, dass ich rund drei Gänge hoch schalten und stark beschleunigen kann. Fahren wir wieder mehr Richtung Osten, pfeift der kalte Wind stark ins Gesicht und wir werden quasi ausgebremst. 3km vor dem Ziel tritt mein Mitstreiter, der immer wieder aus dem Auto mit „Papa“ angefeuert wird, plötzlich an. Aber ich kann ihm folgen und kurz darauf übernehme ich auch wieder die Führung. Wir nähern uns unspektakulär dem Ziel. Rund ein km vor der Ziellinie – kurz hinter dem Denkmal an Tom Simpson – erkenne ich meinen Vater auf dem kleinen Gipfelplateau stehen. Ich merke, dass ich kein Platzierungsfahrer bin. Stattdessen bin ich nur auf die Zeit fixiert, inziwschen ist mir aber bereits klar, dass ich heute eine 1:11 h fahren werde. 600 m vor dem Ziel tritt mein Kollege zum zweiten Mal an, diesmal habe ich keine Chance und lasse ihn ziehen – versuche nicht einmal mit zu fahren. Komme mit 23 sec. Rückstand als Zweiter in 1:11:27 h ins Ziel. Bin leicht enttäuscht. Der drittplazierte Sander Smits aus Utrecht kommt erst mit über dreieinhalb min. Rückstand ins Ziel. Der Saarländer Jan-Philipp Rechtenwald spricht mich am Verpfelgungstand an, so fahren wir nach der Siegerehrung in Bedoin den Mont Ventoux noch von Malauscene. Ergebnisse unter www.sportcommunication.com
Nachtrag: Montags fahre ich L`Alpe d`Huez (dort möchte ich am 7.7. starten) in rund 48 min. (Wahnsinn, welche Radmassen an diesem Montag vormittag diesen Berg hoch fahren!!!) und anschließend noch den Col de la Croix de Fer. Dienstags noch drei Pässe im Südwesten der Schweiz. Ausblick: Am Sonntag steht schon eines der (vielleicht das?) absolute(n) sportliche(n) Highlights der Bergradsaison an: www.glocknerkoenig.com – mir graut es ein wenig vor der großen Kühle, die in der frühen Morgenstunden am Berg herrschen wird (Start ist bereits um 7 Uhr – vielleicht hat jemand noch einen Tipp, wie ich meine Füße etwas wärmen kann, eventuell mit zwei Paar Socken und/oder Zeitungspapier?).