Liebe RadsportfreundInnen,
hier mein Bericht vom Schauinslandkoenig (dem Finale der Schwarzwaldkoenig-Serie 2012):
Streckenlaenge: 11,75 km
Hoehendiffernz: ca. 750 Hm
Die Strecke 2012 ist damit von der Laenge her gleich wie in den Vorjahren, allerdings wurde sie ca. 200 m weiter „oben“ gestartet: damit wurde der steille Abschnitt verkuerzt und durch ein Flachstueck (mit leichtem Gefaelle) ersetzt; die Zeiten sind so vielleicht 20 – 30 sec. schwaecher als bisher einzustufen
Finishende: 821 (davon 747 mit dem Rad; weitere mit Skiroller, Tandem, mit Kinderwagen etc.)
Witterung: mal sonnig, mal bewoelkt,; am Start ca. 18 Grad, im Ziel ca. 12 Grad; leichter Wind aus noerdlichen Richtungen (Rueckenwind)
Als ich letzten Dienstag die Strecke noch zweimal abgefahren bin, habe ich mir einige neuralgische Punkte gemerkt und mir die dazu gefahrene Zeit notiert. Nachdem ich nun am Morgen den genauen Startort sehe, kann ich mir die fuer heute geplanten Zeiten hochrechnen. Mein Ziel ist, dass ich in „31 min. glatt“ die Strecke absolviere. Im Startbereich habe ich etliche Gespraeche mit ganz unterschiedlichen Personen. Ich muss aufpassen, dass ich bei alldem nicht meine Vorbereitungen auf das Rennen „verschlafe“. Treffe auch die drei Mitfahrer, die sportlich mit mir diese erste Schwarzwaldkoenig-Serie gepraegt haben: Frederik Nagel, der gestern sehr stark bei der deutschen Meisterschaft am (fuer mich zu flachen) Hoechsten gefahren ist; Mirco Wiesler, der sich bei der Arbeit vor knapp zwei Wochen verhoben hat und trotz etlicher Anstregungen in der Zwischenzeit immer noch nicht schmerzfrei ist; Johannes Hoefler, der letzte Woche ein wenig erkaeltet war, sich nun aber wieder ziemlich gut fuehlt und so gerne mal noch unter 31 min. hier fahren wuerde; schliesslich kommt mein Freund Christian Englert, der gestern extra mit dem Rad von Mutterstadt ueber rund 220km nach Kirchzarten im Regen geradelt ist, um heute hier am Schauinsland mit dabei zu sein. Wir fahren noch ein bisschen gemeinsam warm.
Um 12 Uhr stelle ich mich am Start an. Ich bekomme die Nachricht, dass Frederik Nagel in 30:14 min. die Strecke bewaeltigt hat! Das schockt mich! Ich wusste, dass Frederik stark ist, dass er hier und heute auch in der Lage sein wird, eine so starke Zeit zu fahren, dass ich noch einmal richtig unter Druck komme. Aber 30:14 min.? Wahnsinn! Diese Zeit werde ich niemals fahren koennen. Wie viel Vorsprung ich genau auf Frederik habe, habe ich vorher vergessen aus zu rechnen. Rund 30 sec.? Kann ich im Bereich von 30:40 min. fahren und diese Serie noch gewinnen? Ich glaube es eigentlich selbst nicht… Aber was sage ich immer den Anderen? Nicht verrueckt machen lassen, auf sich selbst konzentrieren und das persoenlich Maximale rausholen. Ja, das will ich nun versuchen. Mirco Wiesler ruft mir noch zu, dass ich das schaffen werde. Ich wuensche ihm auch ein gutes Rennen – und schon werde ich auf die Strecke geschickt…
Cool bleiben. Gleich steil, 12%. Ich fahre dennoch in der fuer mich harten Uebersetzung von 34-21. Gehe aus dem Sattel. Dann schalte ich doch noch auf 34-23 runter. Fahre aber mit hoher Frequenz. An der ersten Zeitnahme, die ich mir gemerkt habe (kurz nach dem Ende des Steilstuecks) liege ich blendend in der Zeit: 2:33 min. Aber dieser Beginn hat schon einige Koerner gekostet. Macht Nichts. Weiter kurbeln, hohes Tempo beibehalten. Ich schalte in dem nun bereits deutlich flacheren Teilstueck von nur noch rund 7% hoch auf 34-19. Trete nach wie vor eine hohe Frequenz, ueberhole viele RadlerInnen. Versuche immer die Ideallinie zu fahren. Bin hoch konzentriert – und auch motiviert bis in die Haarspitzen: Christoph, gib nicht auf, kaempfe! ja, das tue ich auch. Aber es fuehlt sich sogar recht leicht an. Ich ueberhole Christian Englert, der gemuetlich hinauf radelt. Er feuert mich mehrfach an. Die Strecke ist ziemlich gleichmaessig, bis auf ein ganz kurzes, fast total flaches, Stueck. So schalte ich meist nur zwischen 34-21 und 34-19 hin und her. Und versuche meinen Rythmus bei zu behalten. Manchmal wuerde ich gerne etwas Tempo rausnehmen. Sofort gebe ich aber meinem Kopf den „Befehl“, dass ich ja nun nicht auf einer Trainingsfahrt zur Kalmit hinauf bin, sondern im Finale des Schwarzwaldkoenigs. Bei den naechsten beiden Zwischenzeiten nach einem Viertel und dann bei knapp der Haelfte der Renndistanz habe ich jeweils rund 15 sec. Vorsprung auf meine 31-min-Marschtabelle. Wenn ich dieses Tempo durchhalten sollte, ist zwar der Tagessieg nicht mehr drin, aber ich koennte die Serie noch gewinnen. Und das waere ein tolles Resultat.
Ich komme aus dem Wald heraus. Kurz danach gehe ich in das letzte Renndrittel. Nun wird es nochmal deutlich flacher. Nicht mein Terrain. Aber das ist nun egal. Jetzt gilt es. Ich lege einen noch haerteren Gang auf. Versuche meine Trittfrequenz aber weiterhin hoch zu halten. Nach wie vor liege ich in einem Bereich, der es mir mit einem starken Finale erlaubt, noch vom Gesamtsieg zu traeumen. Noch 6 min, noch 5, noch 4. Ploetzlich kommen alte Erinnerungen von Bahnlaufwettbewerben aus „grauer Vorzeit“. Noch drei min., das war frueher, als ich auf den letzten km gegangen bin, also noch zweieinhalb Laufrunden im Stadion. Ich schalte noch hoeher. Trete ich noch rund? Das ist nun egal. Gib alles. Gehe nochmal aus dem Sattel. Vor mir eine grosse Gruppe. Wuerde sie gerne innen in der Kurve ueberholen, merke aber, dass ich da wohl nicht durch komme. Fahre aussen rum. Beschleunige noch einmal. Merke, dass es etwas zu frueh war, schon ins Finale zu gehen, muss noch einmal rausnehmen. Letzte Steigung. Hier war frueher Ziel. Nun geht es leicht bergab. Schalte auf das grosse Blatt. Schaue auf die Uhr, habe ca. 30:13 min. Trete an, sehe das Ziel. Traue mich nicht, mit voller Geschwindigkeit ueber die erhoehte Zeitmessung zu fahren. Der Moderator meint, dass ich nach 30:41 min. nun Tageszweiter bin. Lasse ausrollen.
Im Zielbereich fragen mich gleich einige, ob das nun fuer den Gesamtsieg gereicht hat. Ich weiss es nicht, es muss sehr knapp sein. Es wird sich nur um wenige sec. drehen. Ich steige vom Rad, merke, dass meine Wadenmuskulatur offenbar viel gearbeitet hat und nun sehr verspannt ist. Esse und trinke, plaudere mit verschiedenen Leuten. Dann kommt Frederik Nagel und gratuliert mir. Zum Gesamtsieg! Finde ich eine tolle Geste von ihm. Obwohl er bei drei Rennen vor mir war, profitiere ich vom Streichergebnis und meinem Sieg am Kandel. Frederik haette den Sieg mindestens ebenso wie ich verdient gehabt. Wir unterhalten uns aber nett – und gegenseitig anerkennend. Frederik war ein sehr angenehmer Sportskollege. Es war herausfordernd „gegen“, ja eher mit ihm eine Serie zu fahren. Ich war der Gluecklichere, nicht der Bessere. Beide waren wir gut, beide koennen wir auch zufrieden sein.
Christian Englert und ich machen noch ein schoene kleine Suedschwarzwaldrunde, von Schoenau hinauf zum Belchen (bis zum Gipfel mit wunderbarem Rundumpanoramablick) und dann noch ueber die Stohrenstrasse wieder hinauf zum Schauinsland. Die SiegerInnenehrung hat gerade begonnen. Mir ist es ein Beduerfnis, Frederik dabei fuer seine tolle Leistung zu gratulieren und klar zu stellen, dass er es mindestens ebenso wie ich verdient haette, hier oben zu stehen. Leider vergesse ich in diesem Moment, mich bei den tollen Veranstaltern rund um Aleander Lang zu bedanken, die eine tolle Berg-Rennserie ins Leben gerufen haben. Die Rennen waren alle prima organisiert – und standen bekannten Alpenrennen in Nichts nach. Ich wuensche dieser Rennserie, dass im kommenden Jahr auch bei den Rennen ausserhalb des Schauinslands noch deutlich mehr Teilnehmende an den Start gehen. Denn es handelt sich um die beste Bergrennserie noerdlich der Alpen! Den Preis, einen offenbar sehr guten Rennradrahmen – darf ich Dirk Debertin nach Karlsruhe mitgeben. Eigentlich haette ich ihn mit Frederik Nagel teilen muessen… Abschliessende Gespraeche mit Mirco Wiesler und Johannes Hoefler. Wir haben uns – obwohl wir uns vor ein paar Wochen nicht einmal kannten – so gut verstanden, dass wir vereinbaren, in Kontakt zu bleiben – und bei weiteren Rennen eventuell sogar in einem Team starten wollen. Dieser soziale Aspekt war ein wunderbarer Nebeneffekt dieser tollen Serie.
Ich fahre zum Hbf in Freiburg, wo ich meine Familie treffe, mit der ich nun in Regionalzuegen weiter in den Urlaub in die Schweiz fahre.
Ergebnisse und weitere Infos unter www.schwarzwaldkoenig.com
Herzliche Grüße,
Christoph