Finale

Stehe aber schon wieder früh auf. Bekomme dennoch ein top Frühstück.

Am Morgen schaue ich auf den Zwischenstand: bin auf Platz 29 zurück gefallen. Müsste mindestens 25. werden, um im nächsten Jahr wieder beim TCR starten zu dürfen. Das will ich wenigstens noch erreichen.

Starte noch vor Sonnenaufgang. Ace gab mir gestern auf meine Frage, wie ich nun am besten weiter fahre, zur Auskunft: „Es gibt zwei Möglichkeiten: einerseits einen ganz kleinen Weg, der aber ohne offiziellen Grenzübergang nach Griechenland führt und als zweite Möglichkeit nehme ich für knapp 5km die Autobahn nach Griechenland.“ Ace empfahl mir dabei eindeutig die Autobahn, weil Variante 1 illegal sei. Die Autobahn sei für Radfahrer aber kein Problem. Obwohl es noch sehr früh ist, ist auf der Autobahn mehr Betrieb als ich dachte. Aber es gibt einen breiten Seitenstreifen, so dass ich mich ziemlich wohl fühle. Aber ich habe leichte Furcht vor dem Grenzübergang. Auf mazedonischer Seite schaue ich den Grenzbeamten an. Er wirkt völlig entspannt, als er mich und mein Rad wahr nimmt. Wie wird es nun auf griechischer Seite sein? Genauso! Bin erleichtert. Gleich erste Ausfahrt runter von der Autobahn auf eine parallel verlaufende Landstraße. Kein Betrieb, wunderbar ruhig. Aber nur gut eine Stunde später stelle ich einen Plattfuß an meinem Hinterrad fest! Da werde ich nun flicken müssen. Ist wohl nur ein kleines Loch, kann von daher noch in den nächsten Ort fahren. In einem Restaurant treffe ich bereits eine Frau an, die gerade aufräumt. Sie spricht super Deutsch, weil sie lange in D gelebt hat. Erzählt mir von der nicht einfachen Situation in Griechenland in der seit nun schon fast zehn Jahren schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der die Wirtschaftsleistung des Landes um rund ein Viertel gesunken ist!

Sie gibt mir einen Eimer mit Wasser. So kann ich das Loch gut orten. Es ist wirklich klein. Da ich keinen neuen Schlauch mehr habe, muss ich flicken. Klappt auch. Aufpumpen mit meiner von Christian geliehenen Handpumpe ist schwierig. Geht aber für ein Stück. Bald finde ich ein Radgeschäft, dort kann ich komplett aufpumpen. Bin froh, dass es wieder rollt. Läuft auch gut. Freue mich, auch wieder in der EU zu sein. Wunderbar auch wieder mit € zahlen zu können. So kann ich z.B. bei Veria ein wunderbares zweites Frühstück einnehmen.

Einige km später habe ich plötzlich erneut im Hinterrad kaum Luft! Das gibt es doch nicht. Habe nun auch kein Flickzeug mehr. Brauche ein Radgeschäft. Frage mir begegnende Leute, wo es ein Radgeschäft gibt. Muss zurück in die Stadt. Suche eine Weile – finde dann aber gleich einen Top-Radmechaniker. In geschätzt einer Minute hat er den Schlauch gewechselt und den neuen schon wieder eingebaut sowie aufgepumpt. Ich kaufe gleich noch einen weiteren Schlauch.

Nun geht es auf einen Pass hinauf, über 1300m. Zieht sich lang. Oben schön kühl. Lange Abfahrt. Meine Navigation leitet mich über viele kleine Straßen nun Richtung Süden. Heiß ist es. Kaum noch Dörfer, keine Lebensmittelgeschäfte. Immerhin immer mal wieder Brunnen. Gott sei Dank. Die Straßen werden immer kleiner. Irgendwann auch nicht mehr asphaltiert, sondern nur noch Schotter. Ich bin völlig unsicher, ob ich hier noch richtig bin. Irgendwann kommt endlich mal ein Auto meinen Weg entlang. Der Autofahrer stoppt auch, als ich ihn darum bitte. Ganz freundlich gibt er mir die Auskunft, dass es hier tatsächlich zu den Meteora-Klöstern ginge. Noch ungefähr 80km. So weit noch!? Bevor er weiter fährt, fragt er mich, ob ich noch frische Fisch von ihm haben möchte.

Ich bin beruhigt, dass ich auf der richtigen Straße bin. Nach geschätzten 10km wird sie sogar wieder asphaltiert. Es geht weiter hoch und runter, mal links, mal rechts. Letzter Anstieg, jener des geforderten Parcours. Geht recht lang bergauf, am Ende rund 4km mit durchschnittlich 10%. Ich fahre sehr langsam. Bin platt. Irgendwann tatsächlich oben. Nun bergab. Noch ein paar kleine Gegenanstiege. Dann die Meteora-Klöster bereits zu sehen. Beeindruckend. Kalambaka. Durch das ganze Städtchen hindurch. Plötzlich ist es da, das Ziel, nach weit über 12 Tagen und gut 4000km. Ich werde sehr freundlich begrüßt, von den Freiwilligen (erfahre, dass ich als 23. ins Ziel gekommen bin), aber auch von mehreren Radfahrern, u.a. vom Sieger James Hayden, der schon vor fast vier (!) Tagen ins Ziel kam und möglichst viele TCR-Fahrer im Ziel begrüßen möchte. Auch Björn Lenhard, der Zweite, der mir vor dem Rennen so viele hilfreiche Tipps gab, ist da. Ebenso Robert Carlier, den ich in Italien mehrfach traf und der guter Achter wurde. Wir plaudern, wir trinken Bier – auf nüchternen Magen. Habe eigentlich einen riesigen Durst – und auch etwas Hunger. Aber jetzt passt diese Unvernunft, ist schön und gut. Bin leicht betrunken, nachdem ich noch ein zweites Bier gereicht bekommen und dann auch getrunken habe. Tauschen Geschichten vom Rennen aus. Von Björn erfahre ich bereits jetzt, dass er keine einzige Nacht in einer Unterkunft verbracht hat, immer in der Natur schlief und dies auch genossen hat. Ich erzähle meine Geschichten. Dann wird den Anwesenden klar, warum ich erst jetzt ins Ziel komme. Auch sie hatten mich früher hier erwartet.

Als es dunkel wird, suche ich ein Hotelzimmer. Finde schnell ein gutes und auch preiswertes. Dusche, esse und schlafe selig ein.