Kurz vor Mitternacht fahre ich weiter. Herrlich mild, 27 Grad. Wenig Verkehr. Ideale Bedingungen für die Poebene. Bin leicht euphorisiert. Noch einige längere Anstiege , die ich hier in der Ebene nicht erwartet hätte. Dennoch: es rollt gut. Ich werde nicht müde. Der Gedanke, dass ich im Klassement nun einen gewaltigen Sprung nach vorne machen kann, beflügelt mich. Ich höre schon meine whatsapp-Gruppe morgen früh jubeln. Durch Conegliano. Richtig viel los. Noch viel Leben in Bars, im Theater, auf den Straßen. Das italienische Flair, von dem Robert so viel geschwärmt hatte, begeistert nun auch mich. Dann wieder auf ruhige Landstraßen.
Irgendwann werde ich unsicher: kann ich wirklich noch rund 20 Stunden bis am Abend durchfahren? Bin mir unsicher. In Pordenone ist ein Hotel noch offen, es ist 1:30 Uhr. Fackle nicht lange. Frage nach einem Zimmer. Gibt noch eines. Checke ein. Schlafe nur 90 min. Ob sich das gelohnt hat?
Beim Abschied bittet mich der Portier, dass ich mich noch ins Goldene Buch des Hotels eintrage. Er werde ab nun auch das Rennen auf der Veranstaltungswebseite verfolgen.
Kurz nach Sonnenaufgang wieder auf der Straße. Brauche ein bisschen, bis ich wieder in den Rythmus komme. Bald wird es schon wieder heiß. Bin froh, dass ich die Poebene schon bald wieder verlassen kann. Leider ist die direkte Straße vom Friaul nach Kärnten für uns vom TCR verboten – es sei zu gefährlich. Muss daher – kurz entschlossen – den Alpe-Adria-Radweg suchen. Katastrophal ausgeschildert. Finde einen alten Radfahrer aus der Region, der mir weiter helfen kann. Erst einmal 3km recht grob geschottert. Dann hoch und runter. Bald eine Kreuzung. In drei Richtungen könnte ich weiter fahren. Suche sehr genau nach Wegweisern. Finde trotzdem keinen. Versuche mich logisch zu orientieren und biege links ab. Geht sanft ein schönes Tal hinauf. Lange. Irgendwann wird der Anstieg steiler. Kein Auto mehr. Eigentlich wunderbar. Aber sicher nicht der richtige Weg, sondern länger und deutlich mehr Höhenmeter. Leicht frustriert. Von meinen Träumen von gestern Abend, heute weit nach vorne zu radeln, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Immer wieder komme ich nur schleppend und holpernd voran – meist nicht wegen fehlender Fitness, sondern schlicht wegen fehlender Navigationskenntnisse.
In Pontebba komme ich immerhin wieder auf den richtigen Radweg, aber auch erst nach langem Suchen und Nachfragen. Von hier ist der Weg aber immerhin gut ausgeschildert. Über die Grenze nach Österreich. Runter. Heiß. In Feldkirchen und Friesach steuere ich daher sehr zielgerichtet Eisdielen an. Plötzlich spüre ich meine Knie. Langsam wird es stärker. Mist! Jeder Anstieg fällt mir nun schwer, weil meine Knie schmerzen. Sehe ein Gasthaus und nehme mir ein Zimmer (im Murtal), obwohl es noch mindestens eineinhalb Stunden bis zur Dämmerung dauert. Bin leicht bis mittel frustriert. Habe das Gefühl, dass das TCR nun schnell für mich zuende sein könnte. Versuche meine Knie (mit kaltem Wasser unter der Dusche und danach mit kalten Umschlägen) zu kühlen. Meine mir schon ans Herz gewachsene whatsapp-Gruppe gibt mir Dutzende von Tipps, was ich tun könnte. Rührt mich (mal wieder).